Der inhaftierte britische Rechtsextreme Tommy Robinson wird von der Szene zum Märtyrer der Meinungsfreiheit stilisiert

Rechte gegen das Recht

Der englische Rechtsextreme Tommy Robinson ist wegen Missachtung einer Gerichtsanordnung inhaftiert. Rechte feiern ihn als Märtyrer der Meinungsfreiheit.

Der beliebteste Hashtag der interna­tionalen populistischen und extremen Rechten ist derzeit mit großem Abstand #freetommy. Befreit werden soll der 35jährige Brite Tommy Robinson, der seit mehr als eineinhalb Monaten in einem Gefängnis im nordenglischen Leeds einsitzt. Ihm zu Ehren verfassen Rechte aller Couleur in diversen Ländern mehr oder minder ambitionierte Klageschriften über den vermeintlich katastrophalen Zustand der Meinungsfreiheit im Vereinigten Königreich. Auslöser des Wehklagens war die Festnahme und anschließende Inhaftierung Robinsons am 25. Mai. Er hatte von einem Gerichtsprozess in Leeds berichtet und die dafür geltenden Regeln missachtet. Weil er dies nicht zum ersten Mal getan hatte, wurde er zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt.

Robinson, der eigentlich Stephen Yaxley-Lennon heißt, hat eine langjährige Karriere in der extremen Rechten Englands vorzuweisen. Seit einigen Jahren versteht er sich als Journalist, tatsächlich betreibt er Propaganda für die extreme Rechte. Seine zahlreichen Youtube-Eigenproduktionen etwa liefen unter dem Label »Rebel Media«, das auf die kanadische Alt-Right-Bewegung verweist. Nach Angaben der britischen antirassistischen Organisation »Hope not Hate«, die Robinson kürzlich als »rechtsaußen« charakterisierte, wünschte er sich in einem Tweet von 2016 die Ausweisung sämtlicher männlicher Muslime.

Vor seiner propagandistischen Tätigkeit war Robinson auf der Straße aktiv. Nach diversen Intermezzi als Fußball-Hooligan wurde er 2009 Anführer der islamfeindlichen und gewalttätigen English Defence League, die er 2013 wieder verließ. Im Dezember 2015 gründete er den britischen Ableger von Pegida. Beim einjährigen Geburtstag des Originals hatte er wenige Wochen zuvor eine Rede gehalten, die von Götz Kubitschek ins Deutsche übersetzt wurde.

Robinson gilt als eine zentrale Figur der Neuen Rechten in Großbritannien.


Robinson versteht sich auch mit vielen weiteren Protagonisten der europäischen Neuen Rechten und gilt als eine zentrale Figur dieser Strömung in Großbritannien. Kurzzeitig wurde er gar als möglicher Leiter der dortigen Identitären gehandelt. Seine mediale Präsenz und ­seine unablässigen Konfrontationen und Provo­kationen haben ihm einen hohen Bekanntheitsgrad auch über die organisierte Rechten hinaus verschafft.

Dieser Umstand scheint ihm jetzt zugutezukommen. Robinsons Inhaftierung wurde innerhalb kürzester Zeit in den sozialen Netzwerken tausendfach in einen staatlich organisierten Anschlag auf die freie Rede uminterpretiert. Robinson kam in Polizeigewahrsam, weil er vor dem Gericht in Leeds unter anderem die Angeklagten eines Verfahrens filmte, in dem muslimischen Männern organisierter Kindesmissbrauch vorgeworfen wird, und dies als Facebook-Livestream sendete. Das Verfahren unterlag reporting restrictions, die in Großbritannien die Berichterstattung über viele Prozesse einschränken, um der Jury ein unbeeinflusstes Urteil zu ermöglichen und die Anonymität der Prozessbeteiligten zu wahren. Sind Minderjährige darunter, gelten besonders strenge Regeln. Robinson verstieß wissentlich gegen die Auflagen, 2017 hatte er vor und in einem Gerichtssaal auch einen minderjährigen Angeklagten gefilmt. Seither stand er unter Bewährung. Diese wurde nun aufgehoben. Auch gegen Robinson unterlag zunächst reporting restrictions – weil der Prozess in Zusammenhang mit dem ursprünglichen Verfahren steht.

Die Unterstützer Robinsons behaupten, dass der britische Staat die Berichterstattung über kriminelle Muslime zu verhindern suche. Robinson gilt ihnen als standhafter Reporter, der eine allzu nachgiebige Politik gegenüber muslimischen Briten und Ausländern offenlegen wolle. Dass Robinsons gesetzwidrige Reportagen es den Angeklagten im Fall einer Verurteilung ermöglichen könnten, auf Befangenheit der Jury und Ungültigkeit der Verfahren zu plädieren, übergehen sie dabei geflissentlich. Stattdessen erheben sie Robinson geradezu zu einem Märtyrer der freien Meinungsäußerung. »I am not far right, I want free speech«, stand auf zahlreichen Plakaten mit dem Porträt Robinsons bei den zahlreichen Solidaritätskundgebungen in verschiedenen Städten. In Leeds wurden dabei Anfang Juni Sprechchöre gegen Muslime gerufen, wenige Tage später kam es zu einem Brandanschlag auf die lokale Moschee.

In London kamen am 9. Juni bis zu 10 000 »Free Tommy«-Aktivisten zusammen. Bei dem Aufmarsch sprachen unter anderem der Vorsitzende der »UK Independence Party«, Gerard Batten, sowie der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders. Eine Großdemonstration soll am kommenden Samstag in London stattfinden. Antifaschisten fürchten, es könne der größte Aufmarsch der extremen Rechten seit Jahrzehnten in Großbritannien werden. Ihr Aufruf für eine Gegendemonstration läuft unter dem Hashtag #opposetommyrobinson.