Homestory

Homestory #18

Die Raucherecke ist, wie Sie wissen, eine Rubrik Ihrer Lieblings­zeitung. Doch auch eine tatsächliche Raucherecke gibt es bei der Jungle World – oder, um genauer zu sein, einen Raucherflur. Wer sich dicke Rauchschwaden, überfüllte Aschenbecher und Brandlöcher im Teppichboden vorgestellt hat, der wird bitter enttäuscht. Aber für so manchen Redakteur ist die Zigarette wie einst die Zigarre für Bertolt Brecht eine Produktivkraft, allerdings eine, wegen der man die tatsächliche Produktion für die berühmten fünf Minuten verlassen muss, um sich in den Flur der Fabriketage zu stellen. Dieser Flur hat einen Vor- sowie einen Nachteil. Im Winter ist es dort unangenehm kalt, im Sommer erfrischend kühl. Wenigstens ist man der jeweiligen Witterung aber nicht gänzlich ausgesetzt, wie es zum Beispiel die Teenager von der benachbarten Schule sind, die sich in der Pause in den hauseigenen Hinterhof flüchten, um heimlich-hustend dem Rauchvergnügen zu frönen.

Die Raucher der Jungle World husten schon lange nicht mehr, und auch die Gelegenheitsraucher, denen man meist kurz vor dem Redaktionsschluss, den Stress kompensierend, im besagten Raucherflur begegnet und von denen manche zuvor um eine Zigarette bittend durch die Redaktionsräume gewandert waren, um sich ­keine ganze Schachtel kaufen zu müssen und in Versuchung zu geraten, diese in Windeseile leer zu rauchen, atmen den blauen Dunst geschickt ein.

Auch im Hinblick auf unseren eventuell mitlesenden Vermieter sei an dieser Stelle aber deutlich gesagt: Die rauchenden Kollegen sind eine absolute Minderheit. Es handelt sich praktisch um ganz wenige Einzelfälle, und statistisch geht die Zahl der aktiven Raucher in der Redaktion kontinuierlich zurück. Lagen früher Zigaretten und Feuerzeuge griffbereit auf jedem Schreibtisch, findet man heute vermehrt Nahrungsergänzungsmittel wie Weihrauchkapseln, Vitamin D-Tabletten und Kurkumapulver griffbereit neben der Tastatur. Sollte doch mal jemand versehentlich zur Zigarette gegriffen haben, werden zumeist umgehend Kompensationsmaßnahmen eingeleitet, etwa durch den Verzehr von Ingwer, Minze oder eines ultragesunden Trendrohkostsalats – ohne Dressing.