Bei den russischen Präsidentschaftswahlen gibt es keine erstzunehmende Konkurrenz für den Amtsinhaber Wladimir Putin

Wählen gehen für Putin

Bei den Präsidentschaftswahlen in Russland gibt es keine ernst­zunehmende Opposition.

Beim letzten Mal war es noch anders. Als Wladimir Putin 2012 die Präsidentschaftswahlen in Russland gewann, entlud sich der Unmut eines Teils der seines Herrschaftsprinzips überdrüssig gewordenen großstädtischen Bevölkerung noch in lautstarken Protesten. Derzeit entzweien sich die Gemüter vor den Wahlen am 18. März lediglich an der Frage, ob es moralisch vertretbar sei, seine Stimme überhaupt abzugeben, oder nicht. Geführt werden solche Debatten allerdings nicht mehr auf den Straßen, sondern in sozialen Netzwerken und privaten Räumen.

Mit der Entscheidung, den nationalistischen Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj von einer Teilnahme an den Wahlen auszuschließen, bescherte sich die russische Regierung ein logistisches Problem, an dessen Lösung nun auf allen Ebenen fieberhaft gearbeitet wird. Um eine solide Zustimmung für den langjährigen Machthaber Putin zu gewährleisten, braucht es eine hohe Wahlbeteiligung; am besten nicht weniger als 70 Prozent, wobei für den unschlagbaren Favoriten unter den Kandidaten ein mindestens ebenso hoher Stimmanteil herauskommen soll. Nawalnyj rief indes zum Wahlboykott auf, sollte er nicht antreten dürfen. Damit stilisiert er sich zur einzigen realen politischen Alternative und suggeriert, dass im Falle seiner Kandidatur die Präsidentschaftswahlen per se an Legitimität gewinnen würden.

 

Es wurden nur Kandidaten zugelassen, deren Ambitionen sich in Grenzen halten, die sich also mit ihrer Rolle als für eine Wahl notwendiges Beiwerk zufriedengeben. Antreten dürfen sieben männliche Kandidaten und eine Frau.

 

Tatsächlich gingen Nawalnyjs Ausschluss eine Reihe gezielter Maßnahmen voraus, um ihn zu diskreditieren, einschließlich eines überaus fragwürdigen Strafprozesses gegen ihn. Allerdings hätte die russchische Regierung auch eine andere Taktik anwenden und ihm per Stimmzettelmanipulation eine Wahlniederlage bescheren können. In der Vergangenheit haben Oppositionelle zwar durch aufwendige Wahlbeobachtung versucht, solchen Praktiken Einhalt zu gebieten, gänzlich unterbinden lassen sie sich aber nicht.

Die Erfahrung der Duma-Wahlen im Dezember 2011 zeigt, dass enttäuschte Wählerinnen und Wähler gegebenenfalls relativ leicht für Putins Gegenkandidaten zu mo­bilisieren waren, während nun alles auf eine Enthaltung der Enttäuschten hinauszulaufen scheint. Nicht nur Nawalnyjs Anhänger wollen am 18. März den Wahlurnen fernbleiben, sondern auch jene, die lieber für andere aus ihrer Sicht akzeptable Kandidaten stimmen würden, stünden sie denn zur Wahl. Da Putin eine hohe Wahlbeteiligung benötigt, geben Wahlberechtigte, die ihm skeptisch gegenüberstehen, ihre Stimme nun einfach nicht ab.

Es wurden nur Kandidaten zugelassen, deren Ambitionen sich in Grenzen halten, die sich also mit ihrer Rolle als für eine Wahl notwendiges Beiwerk zufriedengeben. Antreten dürfen sieben männliche Kandidaten und eine Frau, Xenija Sobtschak, die als Fernsehmoderatorin einem breiten Publikum bekannte Tochter von Putins altem Weggenossen Anatolij Sobtschak, dem ehemaligen Bürgermeister von St. Petersburg. Es sind Stalinisten dabei, gut situierte Unternehmer und auch Wladimir Schirinowskij von der Liberaldemokratischen Partei LDPR, das Urgestein der postsowjetischen Debatten­unkultur.

Sobtschak darf sich herausnehmen, was andere sich nicht leisten können oder wollen. Sie lobt während der Diskussionsrunden mit ihren Rivalen im Fernsehen nicht nur die Privatisierung, sondern weist auch auf die fatalen Folgen des russischen Militäreinsatzes in Syrien hin oder beantragt bei den ukrainischen Behörden eine Genehmigung für eine Wahlkampftour auf der Krim. Doch auch sie füllt ihre wenig ernsthafte Rolle aus. In einer Livesendung etwa bespritzte sie Schirinowskij, der sie als Schlampe beschimpft hatte, mit Wasser. Auch sie kann Putin nicht gefährlich werden, der an solchen Veranstaltungen selbstverständlich nicht teilnimmt.

Um eine vergleichbare Wahlbeteiligung wie 2012 zu erreichen – damals betrug sie 65 Prozent – hat die Wahlkommission das Budget für Werbung verdoppelt. Umgerechnet über elf Millionen Euro stehen dieses Mal zur Verfügung, um an allen nur erdenklichen Stellen daran zu erinnern, was am kommenden Sonntag zu tun sei. Zwischenzeitlich wurde gar über eine gesetzliche Verpflichtung zur Stimmabgabe diskutiert.

Politischer Wettbewerb ist im derzeitigen Machtgefüge aber nicht vorgesehen. Durch Repression, aber auch durch weniger grobe, auf eine Entpolitisierung der Bevölkerung ausgerich­tete Manöver verhindert die Regierung, dass sich jenseits kleiner Basisinitia­tiven ernstzunehmende politische Zusammenhänge überhaupt erst entfalten können.