Der Iran baut mit russischer Unterstützung seine Macht im Nahen Osten aus

Die Möchtegern-Supermacht

Der Iran versucht seine Macht in der Region weiter auszubauen. Proteste im Inneren werden mit Brutalität niedergeschlagen.

Qasem Soleimani, der Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden, gilt als einer der mächtigsten Männer des Nahen Ostens. Die Quds-Brigaden sind eine Eliteeinheit der iranischen Revo­lutionsgarde für extraterritoriale Operationen. Ihre Aufgabe ist die Ausweitung des iranischen Einflusses im Ausland. Quds ist das arabische Wort für Jerusalem, denn die Einheit, die direkt dem obersten geistlichen Führer Ali Chamenei untersteht, soll früher oder später auch Israel erobern und zu islamischem Gebiet machen. Soleimani und seine Quds-Brigaden haben den Nahen Osten in den vergangenen Jahren verändert und dem Iran mit russischer Hilfe zur Vormacht in der Region verholfen.
Am deutlichsten wird diese Veränderung in Syrien. Nach Beginn der Proteste gegen den Diktator Bashar al-Assad sah es im Sommer 2012 zeitweise so aus, als sei der Sturz des syrischen Präsidenten nur noch eine Frage der Zeit. Damit hätte auch die »Achse des Widerstands« gegen Israel zerstört werden können. Um dies zu verhindern, begann Soleimani mit Waffenlieferungen nach Syrien. Seit 2013 greifen iranische Streitkräfte und die vom Iran kontrollierte Miliz der Hizbollah direkt in den Konflikt ein.
Mittlerweile haben die iranischen Revolutionsgarden die Kriegsführung in Syrien mit Hilfe russischer Luftunterstützung fast komplett übernommen. Eine syrische Armee gibt es kaum noch. Sie ist weitgehend durch iranisch gesteuerte Milizen ersetzt worden, für die zum Großteil ausländische Kämpfer rekrutiert wurden. Die Milizen führen in Syrien einen »schiitischen Jihad« gegen die sunnitische Bevölkerung, die sie systematisch töten, terrorisieren und vertreiben.
Dabei begehen die russisch-iranische Truppen Kriegsverbrechen, wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht des US-amerikanischen Think Tanks Atlantic Council über die Zerstörung Aleppos dokumentiert. Gezielte Angriffe auf Krankenhäuser, der Einsatz von Brandmunition und Fassbomben sowie von chemischen Waffen widersprechen den Richtlinien der Genfer Konvention.
Der Westen hat der Zerstörung Syriens durch den Iran und Russland tatenlos zugesehen. Als im Sommer 2013 auch die Giftgasangriffe auf die syrische Zivilbevölkerung straflos blieben und damit die von Obama proklamierte »rote Linie« ignoriert wurde, war klar, dass es weder Solidarität noch militä­rischen Beistand gegen die Angriffe geben würde.
Die Bundesregierung hoffte stattdessen darauf, das Nuklearabkommen würde auch die strategische Konkurrenz zwischen Ost und West in Syrien beenden. Sie will die als moderat wahrgenommenen Kräfte um den iranischen Präsidenten Hassan Rohani stärken und hofft darauf, dass dadurch auch der Krieg in Syrien auf diplomatischem Weg beendet werden kann. Das iranische Regime setzt indes auf den Ausbau einer strategischen Allianz mit Russland.
Nur wenige Tage nach Unterzeichnung des Nuklearabkommens im Juli 2015 flog Qasem Soleimani nach Moskau (Jungle World 49/2015), um dort das russisch-iranische Vorgehen im Syrien-Krieg zu koordinieren. Seitdem kooperieren beide Staaten. Während der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier der Öffentlichkeit sagte, es könne keine militärische Lösung geben, schuf die russisch-iranische Allianz mit der Vertreibung der sunnitischen Bevölkerung Fakten. Triumphierend sprachen der iranische Außenminister MohammedJavad Zarif wie auch sein russischer Kollege Sergej Lawrow in der vergangenen Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz von einer postwestlichen Weltordnung.
Die Unterordnung aller anderen ­Probleme unter die Lösung der Atomwaffenfrage und die vielen Zugeständnisse an den Iran haben dem Regime Zeit und Geld verschafft, seinen Einfluss in der Region auszudehnen. Das Nuklearabkommen hat mit der Frei­gabe von über 100 Milliarden Dollar die iranische Kriegskasse aufgefüllt, das Land profitiert außerdem von einer Steigerung der Ölexporte und einer Wiederbelebung der Wirtschaft. Am wirtschaftlichen Aufbau des iranischen Regimes sind sowohl die Bundesregierung als auch deutsche Firmen beteiligt. Am Rande der Sicherheitskonferenz organisierte der Verein der Bayerischen Wirtschaft (VBW) ein Treffen mit Außenminister Zarif und dem iranischen Botschafter Ali Majedi. Der VBW betonte, er wolle die deutsch-iranischen Beziehungen auch angesichts der kritischen Haltung der neuen US-Regierung intensivieren. Fast alle Wirtschaftsministerien der deutschen Bundesländer haben große De­legationen in den Iran begleitet, Sigmar ­Gabriel bemüht sich um die Beseitigung der letzten noch hinderlichen stehenden Finanzsanktionen in den USA.
Trotz wiederholter Vernichtungsdrohungen gegen Israel, der völkerrechtswidrigen Kriegsführung und der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung pflegt die Bundesregierung ihr gutes Verhältnis zum Iran. Im Januar veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen Bericht über die Zunahme von grausamen Körperstrafen im Iran. Auspeitschungen, Blendungen und Amputationen werden auch weiterhin vollstreckt, obwohl das Völkerrecht diese unmenschlichen und erniedrigenden Strafen verbietet. Die Zahl der Hinrichtungen hat unter Präsident Hassan Rohani sogar noch zugenommen. Trotz der Repression finden immer wieder massenhafte Proteste statt, die sich gegen den Gottesstaat als solchen richten. Im Oktober vergangenen Jahres demonstrierten Zehntausende in der Stadt Pasargard im Zagros-Gebirge gegen das autoritäre Regime. Seit Mitte Februar finden Massenproteste gegen Umweltverschmutzung in der mehrheitlich von Arabern besiedelten Provinz Chuzestan statt, die ebenfalls regimekritische Züge haben. Seit einigen Jahren rufen Frauen via Facebook zum zivilen Ungehorsam auf und posten Fotos von sich ohne Kopftuch.

Am wirtschaftlichen Aufbau des iranischen Regimes sind sowohl die Bundesregierung als auch deutsche Firmen beteiligt. 

Um die schwindende Begeisterung für die »islamische Revolution« im Inneren zu kompensieren, brüstet sich das Regime damit, mit Beirut, Bagdad, Damaskus und Sanaa vier arabische Hauptstädte zu kontrollieren. Auf die Besetzung des Irak war der Iran 2003 besser vorbereitet als die USA. Das Regime konnte sich auf schiitische Netzwerke stützen, die teilweise bereits seit den achtziger Jahren bestanden und nach 2003 zügig ausgebaut wurden. Der vom Iran unterstützte irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki trug mit seinem brutalen Vorgehen gegen Kurden und Sunniten wesentlich zur konfessionellen Spaltung des Landes bei. Auf diese Weise ist das iranische Regime mitverantwortlich für die Entstehung des »Islamischen Staats« (IS) im Irak. Soleimani ist inzwischen offizieller Berater der Regierung im Irak, seine Milizen stehen dem IS an Brutalität nicht nach.
Im Jemen unterstützt das iranische Regime die schiitisch-islamistischen Houthi-Rebellen, die im September 2014 in die Hauptstadt Sanaa einmarschierten. Die von der Europäischen Union unterstützte Organisation Conflict Armament Research veröffentlichte Ende 2016 einen Bericht über die Lieferung von Panzerabwehrraketen, Gewehren und Lenkwaffen aus iranischer Produktion an die Houthi-Miliz. Aus Sicht der Islamischen Republik Iran ist sie Teil der weltweiten Verbreitung des »islamischen Erwachens« und Partner im Kampf zur »Befreiung Palästinas«.
Einer der wichtigsten Verbündeten des Iran in der Region ist die libanesische Hizbollah. Die Terrorgruppe kämpft nicht nur an Irans Seite in Syrien, sondern ist auch im Besitz von 130 000 Raketen und Granatwerfern, die auf Israel gerichtet sind. Sie will erklärtermaßen Israel vernichten und wird vom Iran aus gesteuert. Die libanesische Regierung hat auf die Entscheidungen der Terrorgruppe keinen Einfluss. Die Hizbollah war die erste ­islamistische Organisation, die im Auftrag des iranischen Regimes Anschläge auf westliche Ziele ausführte. Dazu ­gehörte auch der Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994, der mit 85 Toten und etwa 300 Verletzten größte Anschlag gegen eine jüdische Gemeinde nach 1945. Auch der Mordanschlag auf kurdisch-iranische Oppositionelle im Berliner Restaurant Mykonos 1992 geht auf das Konto der Hizbollah. Deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Terroristen in Deutschland über Logistik verfügen und jederzeit groß angelegte Anschläge verüben könnten.
Von der Bundesregierung ist trotz allem keine Änderung ihrer Iran-Politik zu erwarten. Die Gesprächsfäden zwischen beiden Ländern sind vielmehr so »dick wie die Seile der Henker«, wie es einmal ein Beobachter formulierte. Die Trump-Regierung hat zwar im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin deutlich aufgerüstet – allerdings nur rhetorisch. Ob ­daraus eine Politik entstehen kann, die den Druck auf das iranische Regime erhöht, ist zweifelhaft. Einen iranischen Raketentest beantwortete das US-Finanzministerium im Februar mit Sanktionen gegen 25 iranische Organisationen und Einzelpersonen. ­Beobachter werten dies als symbolischen akt und weniger als realen Druck auf die iranische Führung. Angesichts der Bewunderung Trumps für Putin und seiner Geringschätzung der Nato scheint ein geeintes Vorgehen im Nahen Osten mit westlichen Partnern jedenfalls unwahrscheinlich. Zudem schwächt Trump mit seiner Verachtung der demokratischen Institutionen und seinen populistischen Angriffen auf die Medien die US-amerikanische Gesellschaft, die in den nächsten vier Jahren mit inneren Auseinandersetzungen beschäftigt sein wird. Diese Situation werden Russland und der Iran sicherlich in ihrem Sinne nutzen.