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Die Redaktionsräume der »Jungle World« sind eine Welt für sich. Ein Parcours voller merkwürdiger Bilder und Objekte. Rätselhaft und schockierend. Wie die Documenta. Ständig fragt man sich: »Ist das Kunst oder kann das weg?« Die Antwort liegt im Auge des Betrachters! Ein Rundgang durch die »Dschungulenta«:
Anknüpfend an die Programmatik der letztjährigen Documenta-Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev (»Die kulturelle Produktion der Tomatenpflanze ist die Tomate«) beschäftigt sich die im Fensterbereich der Galerie gezeigte Green-Art-Installation »Basilikum« mit der Konzeptualisierung von Natur- und Stadträumen und dem Verhältnis von Kunst und Ökologie.
Mobilität wird in der im Foyer gezeigten Installation »Umzugskartons« als Signatur der Postmoderne begriffen und vermittels einer bauliche Provisorien imitierenden Architektur auf intelligente Weise reflektiert. Die Künstlerin stapelt Umzugskartons übereinander und plaziert sie auf einem blauen Kunstledersofa, das bürgerliche Wohnwelten ironisch zitiert. Ein Zettel mit der Aufschrift »Bitte stehen lassen! Ich nehm sie morgen mit. K.« thematisiert das Spannungsverhältnis von Anonymität und Identität, Eigentum und Kollektivbesitz, Tradition und Veränderung und verweist auf Diskurse über die »Nomaden« (Deleuze/Guattari) beziehungsweise »die Nomadin« (Braidotti) beziehungsweise »hybride Subjekte« (Bhabha) als Pioniere einer flexibilisierten Lebensführung.
Eine wegen ihrer essentialistischen Perspektive umstrittene Arbeit befindet sich in einem der hinteren Räume. Der flauschige und zugleich stachelige Phallus der Skulptur »CACTACEAE. Topf: Polypropylen« verweist auf das Janusgesichtige des männlich sozialisierten Genitals als Glückspender und Aggressor. Zwei um das Objekt gruppierte leere Gefäße unterstreichen eindrucksvoll diese Ambivalenz, deren Signifikant der symbolische Penis ist.
Kernstück der klug kuratierten Ausstellung ist die begehbare Rauminstallation »Behörde« der Berliner KünstlerInnengruppe Die Chefs, die eine originalgetreue Nachbildung eines Amtszimmers im Finanzamt Kreuzberg-Friedrichshain geschaffen hat. Eine subtile Kritik an deutscher Bürokratie und institutionellen Routinen, die in Anlehnung an die systemtheoretische Perspektive Niklas Luhmans die Handlungslogik des Verwaltungsapparats abbildet und hinterfragt. »Behörde« ist eine performative Installation, die permanent von drei Darstellern bewohnt wird und für das Publikum begehbar ist.
Ein Besuch der »Dschungulenta« lohnt allein schon dieser großartigen Arbeit wegen. Vergesst Kassel und die Documenta!