Nabelschau XII

Portugiesen soll es auch geben

Die Anreise. Brüssel! Wer braucht denn sowas?! Und dann noch vier Stunden lang! Airport 100 Prozent rauchfrei. Unicef bittet: »Lassen Sie nach dem Wasser auch die Hilfe fließen in Pakistan!« Hängt über dem Pissoir. Konnten unsere Hirn­tätigkeiten auf einer Wärmebildkamera beobachten: Keine Überraschungen um 8 Uhr morgens. Die Firma »Cateringpor« hat nicht nur ein »o« eingespart. Dann endlich Lissabon. Mietwagen unerwartet teuer, dafür Autobahn nur 60 Cent, Tomaten pflastern unseren Weg! Ein Holländer bringt uns direkt in die Poolposition.

Das Haus. Ist eine Villa, in der eigentlich alles perfekt ist, nur die Eiswürfelmaschine ist kaputt. Crusht nicht. Dafür sechs Schlafgemächer und gefühlt 60 Badezimmer. Staubsauger in der Wand! Grill, Pool, je 30 holländische Sender auf zwei Plasmafernsehern. Zwei Küchen, zwei Etagen, Balkone, Terrassen, Ledersessel, Fußbodenheizung. Ausgezeichnet: »Best Holiday home« (Zoover Award 2010).

Die Technik. W-Lan im Haus. Wow! Das gab’s noch nie. Gibt’s hier aber auch nicht immer, jedenfalls nicht, wenn wie von Geisterhand gesteuert der versenkbare Rasensprenger losgeht am Abend. Oder liegt’s am Dynamic Name Server? Oder am Wind, der um die Strommasten spielt? Flackerndes Licht, flackerndes Netzwerk. Romantisch. Die Fernsehkabel brauchen wir für den Drucker. Den hat uns Armando zum Flughafen gebracht.
Die Tiere. It’s a Dog Land. Außerdem Stierkämpfe. Aber nur am Wochenende. Und klar: Wo wir sind, sind die Falken nicht weit. Die Mücken sind aber relativ okay. Und dann entdeckten wir doch noch Kätzchen – hinten bei den Störchen und den weißen Reihern. Ein paar Mäuse mehr wären gut. Oder hat jeder eine?

Die Freizeit. Lesen und liegen in der Sonne, andere tun’s im Schatten. Pool statt Billard. Wassersport ist schwer angesagt. Fußball, Beachball, Arschbombenwettbewerbe, Mariensichtungen. Surfen fällt unter Arbeit. Demo sowieso. Ein Trampolin im Garten. Videos auf dem Netbook, Ernst Jüngers Kriegstagebücher, Handy-Games, Online-Schach, Sudoku analog.

Die Verpflegung. Verdächtiger Weißwein im Lidl: kostet nur 1,50. Vermissen den Schweinebraten, aber sehr viel mehr den Koch dazu: Gute Besserung, nächstes Mal bist du wieder dabei! Käse ist Geschmackssache: toll! Fisch & Würstchen vom Grill. Sagres mini: im wahrsten Sinne des Wortes Bierchen. Absurd: Ketchup aus Spanien. Rotwein und Essig vom Vermieter, selbstgemacht. Wann muss der Stockfisch in die Pfanne?
Die Recherchen. Porto-Nightlife: enttäuschend. Zwar standen wir überall auf der Gästeliste, aber es fehlten die Gäste. Hausbesetzer in Lissabon: ganz schön abgerissen. Souvenir vom Klassenkampf: rote Fahne der Banker-Gewerkschaft. Wo steckt bloß Döner-Ingo? Dafür Date mit dem Surf-Lehrer. Holla, die Waldfee! Auf der Spur der Tomaten am Pförtner nicht vorbeigekommen. Aber Demo, Comics, Ghetto, Polizei, Hizbollah, Pilgerfahrt – alles klappt, der Portugiese ist pünktlich und zuverlässig. Nur die Falken sind ausgeflogen.

Das Wetter. Sonne, Sonne, Sonne. Das ist schon alles. Am vorletzten Tag kommt ein wenig Wind auf, die Palmen rauschen: boah, ey, nerv!

Die Wehwehchen. Allgemeines Husten, eine Mandelentzündung, mehrere Rotznasen, zwei Fußverletzungen, die üblichen manischen Depressionen, Muskel- und normale Kater.

Die Nachbarn. 5 000 bis 6 000 Holländer. Einer von ihnen hat 1 000 Kühe. Ein anderer importiert Polen, die Blumen anbauen, die er dann exportiert. Portugiesen soll es aber auch geben.

Die Produktion. Entspannt. Eine kleine Abordnung ist diesmal in Berlin verblieben und hält uns den Rücken frei, während wir hier am Pool die Wassertemperatur recherchieren. Am letzten Abend kommt kurz Panik auf. Haben wir eigentlich schon irgendetwas zu Ende produziert? Ein Kollege hat sich total verausgabt, rund um die Uhr mindestens 24 Top-Storys recherchiert. Am Ende fehlt leider die Zeit, sie aufzuschreiben, und der Platz im Blatt auch. Schläft beim Essen ein.

Portugal. Krise, welche Krise? Wetter ist doch super! Und die alte Korkeiche ist auch knorke.