Homestory

Homestory #22/24

Als vor ein paar Jahren eine neue Datenschutzverordnung der EU in Kraft trat, war das erst mal nervig, denn die Absender diverser Mail-Newsletter, die die Postfächer der Redakteurinnen und Redakteure ihrer Lieblingszeitung fluteten, mussten vorstellig werden und von sich aus fragen, ob sie uns weiterhin Neuigkeiten über ihre Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen schicken dürften. Auf jede dieser Anfragen zu reagieren, war schlicht unmöglich, viele meldeten sich im Zweifel gar nicht erst, sondern entfernten die Mailadresse einfach aus ihrem Verteiler. Das hatte zur Folge, dass man ein paar Monate lang auf dem Trockenen saß, im besten Falle eine Podiumsdiskussion über ein langweiliges Buch, im schlimmsten Fall die Ankündigung des Kinostarts einen phantastischen Films verpasste. Na ja, immerhin würde man von da an nicht mehr so viele Nachrichten bekommen, die man eh nicht haben wollte, so zumindest der Gedanke.

Doch weit gefehlt, denn lange dauerte es nicht, bis sich wieder allerlei Unnützes, Überflüssiges und Nerviges im Postfach ansammelte, zum Teil aus völlig unerklärlichen Gründen: Ein Ressort beispielsweise erhält seit bald zwei Jahren Presseinformation eines Verbands, in dem sich Magen-Darm-Ärzte zusammengetan haben, die regelmäßig über Verdauungskrankheiten informieren oder den Kollegen eine Koloskopie ans Herz legen.
Einige Ressorts gehen mit solchen Mails rigoros um, alles fliegt gleich in den Papierkorb, auch wenn es traurig stimmen kann, denn in manchen der Newsletter steckt eine Menge Arbeit, das merkt man ihnen an. Das aber gilt nicht unbedingt für Mails von Bekannten des Hauses und Szenegrößen, die immer wieder für die eigene Sache trommeln müssen, sei es für eine Lesung, die sie machen, oder einen Gedanken, den sie gerade hatten – und den sie, so meinen sie, in Rundbriefen verkünden müssen. Wider besseres Wissen lässt uns auch jede noch so antisemitische Kleinstpartei regelmäßig an ihren Ergüssen teilhaben – im Zweifel verkürzt das sogar die Recherchearbeit.

Aber es gibt definitiv eine Sorte von Mails, die Redakteure am meisten nerven, nämlich die, deren Absender andere Ressorts Ihrer Lieblingszeitung sind, die mit irgendeinem Tipp oder einer Bitte aufwarten, denen kurz darauf passiv-aggressive Textnachrichten oder sogar Anrufe folgen: »Habt ihr meine Mail bekommen?« Da kann man nur sagen: Zum Glück ruft der Rest der Mail-Sender nicht auch noch an.