Relaunch beim Rassistenblatt

Werthers Rechte

Das rechte französische Magazin Valeurs actuelles hat sich zum 40jährigen Jubiläum ein neues Layout gegeben. Die Programmatik bleibt die alte.

Zum Geburtstag gab’s ein neues Layout. Pünktlich zum 40jährigen Jubiläum hat das französische Wochenmagazin Valeurs actuelles (Neue Werte) sein strenges blau-schwarzes Cover gegen ein helleres Titelblatt in Grau eingetauscht. Auch das Seiten-Layout wurde deutlich moderner, es gibt jetzt viele kurze Rubriken und viele knappe Interviews.

Das Relaunch bedeutet nicht, dass die publizistische Programmatik aufgefrischt worden wäre. In der ersten Ausgabe mit dem neuen Layout, die am 1. Dezember erschienen ist, schreibt Herausgeber François d’Orcival in einem langen Leitartikel über die französische Dekadenz, die für ihn mit dem Mai 1968 anfing. Sie bescherte uns angeblich eine »Gesellschaft, der es an Werten mangelt« und die deshalb gewalttätig wird, außerdem habe die von ’68 geprägte Gesellschaft zunehmend Kriminalität hervorgebracht. »Revolution gegen die Autorität, die Verantwortung, die Arbeit, gegen die Übermittlung von Werten und von Wissen. (…) Die Familie, die Schule und die Angst vor der Polizei werden (ab 1968, B.S.) Schwierigkeiten haben, der Woge standzuhalten.« Und, schlimmer noch, hinzu kamen damals »der Zweifel und das schlechte Gewissen«, wegen der Kolonialvergangenheit zum Beispiel: »Der Zeitgeist will Reue.« Da kann die Nation ja nur verlieren. François d’Orcival war 1962 wegen Unterstützung der rechtsterroristischen OAS unter Präsident de Gaulle inhaftiert worden und schrieb 1965 ein Buch über die OAS zusammen mit Alain de Benoist, der späteren Leitfigur der »Neuen Rechten«.

Nun ahnt man schon, welche Werte gemeint sind, die Valeurs actuelles im Titel führt. Die Aufmacherstory der ersten Ausgabe nach dem Relaunch ist einer Untersuchung zum Thema »Rechts sein im Jahr 2007« gewidmet.

Dazu führte das Wochenmagazin eine Umfrage unter Wählern und Sympathisanten der politischen Rechten durch, um eine Liste von Prioritäten zu erstellen. Und dabei werden, wie selbstverständlich, die Sympathisanten des rechtsextremen Front National (FN) ebenso hinzugerechnet wie jene des nationalkonservativen MPF, der konservativ-liberalen Regierungspartei UMP und der christdemokratischen Zentrumspartei UDF. Dies ist die gemeinsame Familie, an die Valeurs actuelles sich wenden will und die das Magazin auch tatsächlich anspricht. Eine Leserumfrage des Blattes vom April 2004 ergab, dass 66 Prozent der Leser des Wochenmagazins konservativ wählen und 25 Prozent rechtsextrem.

Raymond Bourgine gründete das Wochenmagazin 1966. Der Sohn eines ehemaligen Kolonialgouverneurs in Afrika stieß in der innenpolitisch aufgeheizten Atmosphäre, die in Frankreich in der Spätphase der Kolonialkriege herrschte, zur extremen Rechten. Bei seinen beiden Blättern Valeurs actuelles und Spectacle du monde beschäftigte er auch einige Mitarbeiter, die sich als Kollaborateure betätigt hatten oder anderweitig als Faschisten aufgefallen waren. Korrespondent in Spanien wurde Léon Dégrelle, der frühere Anführer der belgischen Rexisten-Bewegung, den einst Adolf Hitler persönlich zum General der Waffen-SS ernannt hatte. Die Kinokritik in Spectacle du monde besorgte Lucien Rebatet, einer der führenden Propagandisten der französischen Kollaborateursbewegung.

Bourgine selbst wurde aber 1969 auch Berater der Zeitschrift Nouvelle Ecole, die von Alain de Benoist und seinem damaligen Theoriezirkel Grece herausgegeben wurde. Aus ihm ging die französische Nouvelle Droite hervor, die so genannte Neue Rechte. Bourgine stellte den damaligen »Sekretär« des Grece, Jean-Claude Valla, 1969 auch als Journalisten bei Valeurs actuelles ein. Valla ging später zum konservativen Figaro-Magazine, wurde jedoch 1980 gefeuert. Anschließend bewegte er sich in dubiosen rechten Milieus, und seit 1999 trat er als offener Auschwitzleugner auf.

Die extreme Rechte der letzten 15 oder 20 Jahre unterscheidet sich jedoch von jener aus der Gründerzeit von Valeurs actuelles. Damals, zur Zeit der Kolonialkriege, handelte es sich um eine pro-kapitalistische und pro-westliche, gleichzeitig rassistische und sozialdarwinistische Rechte. Damals schien den Rechtsradikalen nicht die Zeit dafür gekommen, eine Massenpartei aufzubauen und nationalrevolutionären Pseudo-Antikapitalismus zu verbreiten; vielmehr boten sie sich konservativen Kräften als schärferes intellektuelles Korrektiv an. Antisemitismus durfte deshalb auch keine größere Rolle spielen. Unter diesen Voraussetzungen kam auch ihre Zusammenarbeit mit dem Figaro-Magazine zustande. Dagegen gehörte es zu den Gepflogenheiten der extremen Rechten der neunziger Jahre, auch konservative Grundsätze in Frage zu stellen, um etwa einen stärker antiamerikanisch geprägten Nationalismus zu propagieren.

Antiamerikanismus wird bei Valeurs actuelles allerdings nicht geduldet. Es entspricht der redak­tio­nel­len Linie, die US-amerikanische Außenpolitik, also auch den Irak-Krieg, zu unterstützen; und einer der Chefredakteure, Michel Gurfinkiel, ist ein Freund der rechten Siedlerbewegung in Israel. Antiwestlicher Nationalismus oder eine Infragestellung des Kapitalismus im Namen eines »Primats der Politik über die Ökonomie«, wie Alain de Benoist es formuliert hat, kommt in der Redaktion nicht in Frage: der Thatcherismus ist das Vorbild. Aber Artikel gegen Einwanderer, die eine »Last für die Sozialsysteme« darstellten, gegen »Sozialschmarotzer«, gegen »national unzuverlässige Intellektuelle«, gegen eine zu schlappe Justiz – und natürlich gegen Gewerkschaften und jede denkbare Streikbewegung, all das findet sich im Heft.

Valeurs actuelles hat rund eine Viertelmillion Leser, bei einer verkauften Auflage von knapp 100 000 zu Anfang dieses Jahrzehnts und knapp 80 000 im vorigen Jahr. Damit übertrifft die Auflage auf alle Fälle deutlich die sämtlicher offen rechtsextremer Zeitungen, von der altfaschistischen Wochenzeitung Rivarol (3 000) bis zur ebenfalls traditionsreichen Minute (30 000). Das Wochenmagazin bietet somit rechtsextremen Ansichten zumindest eine wichtige Nische.

Der Eigentümer war bis Anfang dieses Jahres der Rüstungsindustrielle Serge Dassault. Seit Anfang 2006 sind zwei Drittel der Kapitalanteile verkauft worden, sie hält nun ein persönlicher Freund Dassaults, Pierre Fabre, mit seiner Firma Sud Communication. Der Verkauf diente eher der Bilanzbereinigung. Der Sohn des Industriellen, Olivier Dassault, konservativer Abgeordneter im Parlament, bleibt Vorsitzender des Aufsichtsrats bei dem Presseunternehmen.