Brothers in Arms

Die Entwaffnung der UCK in Mazedonien dürfte schon daran scheitern, dass das Kosovo-Schutzkorps TMK für unerschöpflichen Nachschub sorgt. Mit freundlicher Genehmigung der Nato.

Ihre grenzenlose Anpassungsfähigkeit beweisen derzeit wieder einmal die Separatisten der albanischsprachigen Nationalen Befreiungsarmee UCK in Mazedonien. Nur wenige Stunden nach dem Inkrafttreten der Waffenstillstandsvereinbarung mit der mazedonischen Armee begannen die Kämpfer am Ende der vorigen Woche, quasi-staatliche Strukuren in den von ihnen besetzten Orten im Nordwesten Mazedoniens aufzubauen. Sie tragen nun Polizeiuniformen mit dem UCK-Emblem, übernehmen Aufgaben der Polizei und errichten Kontrollposten.

So wiederholt sich ein paar Kilometer weiter südlich, was im Juni 1999 schon im Kosovo funktioniert hat. Die einstigen Unabhängigkeitskämpfer schwingen sich zur Ordnungsmacht auf und werden so zu Assistenten der wohl bald auch in Mazedonien stationierten Nato. »Wir müssen damit rechnen, dass die UCK-Terroristen zumindest bis zum Eintreffen der Nato-Truppe weitere Territorien okkupieren«, prognostiziert der Politikwissenschaftler Viktor Gobarev, der Direktor des US-amerikanischen Think-Tanks stratfor, im Gespräch mit der Jungle World. Wenn Ende Juli die 3 000 Mann starke Nato-Einheit in Mazedonien ankommt, dürfte sie fast schon zwangsläufig die Aufteilung des mazedonischen Territoriums zwischen Separatisten und Regierungstruppen zementieren. »Die Nato-Truppen werden während ihrer Anwesenheit in Mazedonien natürlich darauf dringen, dass die mazedonische Armee die Rebellen nicht angreift. Also sind sie so etwas wie ein Schutzschild für die UCK«, vermutet Gobarev.

Auch die Entwaffnung der Sezessionisten werde voraussichtlich so umfassend nicht sein. »Im Kosovo hat die Kfor nach unseren Schätzungen bisher nur 20 bis 30 Prozent der Waffen einsammeln können, der Rest wird von den ehemaligen Terroristen dort noch immer gebunkert.« Doch diese Quote wird in Mazedonien wahrscheinlich nicht einmal erreicht werden. Immerhin hebt die Kfor im benachbarten Kosovo hin und wieder selbständig ein Waffenarsenal aus. In Mazedonien aber wird sich die Nato auf eine passive Rolle beschränken. An insgesamt 15 Stellen können die Separatisten ihre Waffen abgeben, einen Besuch der Waffenarsenale wird es nicht geben.

Eine solche Statistenrolle der Nato ist auch der mazedonischen Regierung nicht unbedingt Beweis für die Entschlossenheit des Westens, die ehemaligen Verbündeten unter Kontrolle zu bekommen. »Wir fürchten natürlich, dass die Entwaffnung nicht vollständig sein wird. Aber immerhin wird die Nato bei uns zum letzten Mal beweisen können, dass sie die Monster, die sie da geschaffen hat, bekämpfen möchte«, sagt Regierungssprecher Antonio Milososki der Jungle World. »Wir haben dieses Problem hier nur, weil die Kfor bei der Entwaffnung der UCK im Kosovo total versagt hat.«

Auch nicht viel beruhigender wirkt die aktuelle Initiative des US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush, die mazedonischen Terroristen mit einem Bannstrahl zu belegen. In der vorletzten Woche ließ er eine schwarze Liste anfertigen, auf der sich ein Gutteil der kosovo-albanischen und mazedonischen UCK-Prominenz - insgesamt 27 Personen - befindet. Sie müssen nun zumindest eine Strafverfolgung in den USA fürchten. Außerdem wurde die gesamte Nationale Befreiungsarmee als Terrororganisation stigmatisiert.

Mehr als ein diplomatisches Manöver ist das allerdings nicht, weil die Separatisten in Mazedonien kaum eine eigenständige Organisation bilden, sondern vielmehr ein Ableger des legalen Kosovo-Schutzkorps (TMK) sind, das von den Vereinten Nationen nach dem Vorbild des deutschen Technischen Hilfswerks installiert wurde. »Was nützt uns dieses Bush-Dekret? Das ist eine Farce. Washington muss verstehen, dass das Kosovo-Schutzkorps und die Befreiungsarmee hier in Mazedonien die gleiche Organisation sind. Alle Attacken auf Mazedonien wurden direkt vom Kommando des Kosovo-Schutzkorps in Pristina organisiert«, so der Regierungssprecher Milososki.

Zumindest die personelle Ausstattung der mazedonischen Separatisten deutet auf ein ausgeklügeltes Tarnungssystem des TMK in Mazedonien hin. Schon vor Wochen ist der TMK-Kommandant Ostremi zu den Rebellen in Mazedonien übergelaufen und auch sein Nachfolger Daut Haradinaj kann vom Kampf offenbar nicht lassen.

Wie andere TMK-Kader auch wehren sich die beiden gegen die von der Uno auferlegte Beschränkung, das Korps habe lediglich im Falle von Naturkatastrophen oder Unfällen Hilfe zu leisten, aber keine Polizeiaufgaben zu übernehmen. »Für die ehemaligen UCK-Chefs ist das Kosovo-Schutzkorps eine Reserve-Armee, die bei einer eventuellen Unabhängigkeit des Kosovo wieder bewaffnet werden wird«, heißt es in einem kritischen Bericht der Uno anlässlich der Gründung des Schutzkorps zu Beginn des Jahres 2000.

Die Uno-Verwaltung im Kosovo versucht, solche Unartigkeiten mit treuherziger Zuwendung zu beenden. Allein zur Installation der Truppe wurden 10 Millionen US-Dollar aufgewandt, seitdem fließen aus Uno-Mitteln rund sieben Millionen US-Dollar jährlich in die Ausstattung des Schutzkorps. Auch Bodo Hombachs Stabilitätspakt für Südosteuropa beteiligt sich fleißig am Aufbau der Truppe, deren Leiter der ehemalige UCK-Kommandant Agim Ceku ist.

Dass damit indirekt Mazedoniens Zusammenbruch finanziert wird, scheint für die Kosovo-Protektoren kein größeres Problem zu sein. Dabei sollte eigentlich ein politischer Skandal in Skopje recht deutliche Hinweise auf die Rolle des Schutzkorps im mazedonischen Bürgerkrieg geben. Mitte Juni geriet der Generalstabschef der mazedonischen Armee, Jovan Andrejevski, in erhebliche Schwierigkeiten, weil er sich mit dem US-amerikanischen Ex-General Rich Griffits über die Planungen der mazedonischen Armee ausgetauscht hatte und die Inhalte dieser Beratungen wenige Tage später der UCK bekannt wurden.

Andrejevski handelte in gutem Glauben, denn immerhin ist Griffits der Balkan-Beauftragte der US-amerikanischen Sicherheitsfirma MPRI, die schon seit Mitte der neunziger Jahre die mazedonische Armee berät. Leider aber hatte der mazedonische General übersehen, dass Griffits ebenfalls seit Mitte der neunziger Jahre eine intensive Freundschaft mit dem kosovo-albanischen Schutzkorps-Chef Agim Ceku pflegt. Die beiden hatten schon bei der Rückeroberung der kroatischen Krajina 1995 intensiv zusammengearbeitet. Ihre langjährigen guten Beziehungen ermöglichten nun im Mazedonien-Konflikt den Geheimnisverrat: Griffits erzählte Ceku von den Beratungen mit Andrejevski, und Ceku leitete die Informationen an seine Kumpel in der mazedonischen UCK weiter.

Solange also das Schutzkorps im Kosovo nicht intensiver kontrolliert wird, ist die Entwaffnung der albanischsprachigen Kämpfer in Mazedonien ein aussichtsloses Unterfangen. Denn der Nachschub an Waffen und Waffenbrüdern, den das Schutzkorps für die Freunde außerhalb des Kosovo organisiert, wird wohl auch während des Nato-Engagements in Mazedonien nicht eingedämmt. »Sie sagen zwar, sie tun ihr Bestes, aber das stimmt einfach nicht«, erklärt der bisherige Sprecher des mazedonischen Verteidigungsministeriums, Georgij Trendafilow, der Jungle World. »Hin und wieder präsentieren sie uns stolz, dass sie ein paar Jungs auf Fahrrädern geschnappt haben, die uralte Waffen transportieren, aber die schweren Waffen aus dem Kosovo, die hier eingesetzt werden, finden sie nicht.«

Das aber ist noch nicht einmal der schwerste Vorwurf, den Trendafilow an die Kfor richtet: »Wir haben Unterlagen darüber, dass die Rebellen im März einen 82 mm-Mörser direkt vom polnischen Kfor-Kontingent gekauft haben. Er kam dann hier zum Einsatz.« Schon vor einem halben Jahr habe er einem deutschen Kommandanten der Kfor in Prizren in einem persönlichen Gespräch konkrete Hinweise auf die Schmuggelrouten der Rebellen nach Mazedonien gegeben, allerdings mit wenig Erfolg. »Der Mann war sehr freundlich und hat auch von all diesen Routen gewusst, aber gleichzeitig hat er mir gesagt, dass seine Jungs keine Erfahrungen mit der Kontrolle der Grenze hätten und nichts tun könnten.«

Um aber die Beziehungen zu den UCK-Nachfolgern vom Kosovo-Schutzkorps nicht zu gefährden, behauptet Trendafilow, vertuscht die Nato Schlimmeres als den kleinen Grenzverkehr: »Am 9. April ist ein britischer Militärhubschrauber an der Grenze abgestürzt. Die Kfor sprach von einem Unfall, wir aber haben Beweise, dass die Rebellen den Hubschrauber mehr oder minder irrtümlich abgeschossen haben.«