Nato Calling

Nach einem Waffenstillstand will die Nato in Mazedonien Truppen stationieren. Die UCK könnte davon profitieren.

Da ist gerade das Haus des Hassani-Clans in Aracinovo in die Luft geflogen. Und das ist gut so«, kommentiert Harald Schenker, der Sprecher der OSZE-Mission in Skopje, die Bilder des mazedonischen Fernsehens. Die Freude des Diplomaten über den Treffer der mazedonischen Armee hat ihre Gründe: Der Hassani-Clan, ebenso reich wie kriminell, stellte sein geräumiges Anwesen im umkämpften Vorort von Skopje den Terroristen der UCK zur Verfügung, und die bauten die Immobilie auch gleich zu einem Stützpunkt aus. Sein Geld hat der Hassani-Clan seit der Unabhängigkeit Mazedoniens vor allem mit Schmuggel verdient und sich schon im Februar auf die Seite der UCK-Terroristen geschlagen.

Nach dreitägigen harten Kämpfen in Aracinovo, bei denen nach Angaben des Verteidigungsministeriums drei mazedonische Soldaten getötet wurden, einigten sich die Armee und die UCK am Sonntag doch noch auf eine Feuerpause. »Es gibt einen Waffenstillstand, der sich hoffentlich auf das ganze Land ausdehnen wird«, erklärte der EU-Beauftragte für Sicherheits- und Außenpolitik, Javier Solana, der während der Kampfpause nach Aracinovo eilte. Anfang der Woche sollten nun mazedonische Politiker den EU-Außenministern in Luxemburg einen Friedensplan vorlegen.

Letzte Woche war in Skopje eine weitere Runde des politischen Krisenmanagements gescheitert. Die Gespräche zwischen den an der mazedonischen Regierung beteiligten albanischen und mazedonischen Parteien wurden abrupt abgebrochen, weil die albanischen Vertreter plötzlich neue Forderungen auf den Tisch legten.

Die Reform der Verfassung scheint ihnen nicht weit genug zu gehen, stattdessen trachten sie nun nach einem ausgeklügelten ethnischen Proporz: »Die wollen doch allen Ernstes das Amt eines Vizepräsidenten einführen, der natürlich Albaner ist und alle Beschlüsse der Regierung mit einem Veto belegen kann, die eben die albanische Volksgruppe betreffen«, klagte Harald Schenker nach dem Scheitern der Gespräche. »Wenn die Albaner-Vertreter die Forderungen durchsetzen, wird die Zentralregierung praktisch keine Befugnisse mehr haben«, befürchtet er.

Inzwischen fällt es der Regierung schwer, die Fassade eines konstruktiven Dialogs zwischen den beiden Gruppen aufrechtzuerhalten: »Wahrscheinlich haben die albanischen Parteien andere Pläne. Sie wollen die Bedingungen schaffen, um in einigen Jahren eine albanische Entität in Mazedonien zu etablieren«, erklärt Regierungssprecher Antonio Milososki in Skopje der Jungle World.

Der aktuelle Forderungskatalog der albanischen Parteien liest sich jedenfalls wie ein Fahrplan in ein föderalistisches, entlang ethnischer Linien geteiltes Mazedonien. »Wie sollen wir bitte Skopje teilen, welche Straße wird nun im albanischen Teil liegen und welche im mazedonischen?« kommentiert Milososki entsetzt die möglichen Folgen dieser Pläne.

Die Forderungen der albanischen Parteien wurden von den Terroristen der UCK diktiert, meint er. Sie seien schon längst die eigentlichen Verhandlungspartner der mazedonischen Seite, die beiden Vorsitzenden der albanischen Koalitionsparteien, Arben Xhaferi und Imer Imeri, säßen nur noch als Vertreter der UCK am Verhandlungstisch.

Tatsächlich erinnern die neuen Wünsche der albanischen Politiker an jenes Abkommen, das vor wenigen Wochen unter Vermittlung des amerikanischen OSZE-Diplomaten Robert Frowick zwischen den Albaner-Parteien und den Rebellen ausgehandelt worden war. »Damals musste ich ja Friede, Freude, Eierkuchen spielen, aber in Wirklichkeit hat es Frowick verbockt wie Walker damals im Kosovo. Vielleicht noch schlimmer«, bekennt Frowicks Kollege Schenker. Robert Frowick ist inzwischen wieder in die USA zurückgekehrt, während die mazedonischen Konfliktparteien noch immer unter seinem Einfallsreichtum zu leiden haben. Schon vor einem knappen Monat wäre die Koalitionsregierung wegen dieses Papiers beinahe zerbrochen.

Nun soll die Nato helfen. Sobald eine politische Lösung erzielt worden ist, sollen 3 000 Soldaten des Bündnisses die Mfor bilden und die Rebellen entwaffnen. Mit besonderem Nachdruck wird die Waffenübergabe aber vermutlich nicht betrieben werden, und nur einen Monat lang soll die Nato-Truppe in Mazedonien verweilen. Doch an der Kürze des Gastspiels darf gezweifelt werden.

»Die Nato tappt in eine Falle. Wir haben guten Grund zur Annahme, dass es so schnell nicht gehen kann«, meint Viktor Gobarev, der Direktor des renommierten Polit-Consulting-Unternehmens Stratfor in Austin, Texas.

Jede Verlängerung des Aufenthaltes aber könnte genau jenes Ergebnis fördern, das die Nato eigentlich verhindern will. »Wenn die Nato lange bleiben muss, dann besteht die Gefahr von zementierten Demarkationslinien zwischen den Konfliktparteien, und Demarkationslinien sind der erste Schritt in die Föderalisierung und in die völlige Desintegration Mazedoniens«, beschreibt Gobarev der Jungle World seine Befürchtung.

Nato-Generalsekretär George Robertson immerhin hat diese Gefahr schon erkannt: »Ich möchte klar machen, dass die Nato-Truppen sich nicht daran beteiligen werden, in Mazedonien irgendwelche Demarkationslinien zu errichten oder zu überwachen.«

Doch bereits der Einsatz im Kosovo zeigte deutlich, dass eine solche Entwicklung in Folge eines missglückten Krisenmanagements nicht auszuschließen ist. Dort überwachen Nato-Truppen die ethnische Teilung der Provinz. Und vermutlich sehnen deshalb die albanischen Separatisten einen baldigen Einsatz der Nato auch in Mazedonien herbei.

Das darauf folgende Szenario ist bereits aus dem Kosovo-Konflikt bekannt. »Die Zentralregierung wird zwangsläufig entmachtet, aber auch die albanischen Parteien verlieren ihre Machtbasis. Ihre Erben in den Zentren der Macht werden die heutigen UCK-Rebellen sein«, vermutet Gobarev. Treffen seine Prognosen zu, so erreichen die albanischen Rebellen in jedem Fall ihr Ziel. In der dann entstehenden albanischen Entität werden sie wesentlich an der Macht beteiligt sein. Da kann sich der mazedonische Premier Ljubco Georgevski momentan noch so sehr dagegen sträuben, die albanischen Separatisten zu den Verhandlungen zuzulassen.

»Die Führungskader der Terroristen kommen fast ausschließlich aus dem Kosovo und haben dort schon gegen die jugoslawische Armee gekämpft. Aber offenbar sind sie bei der Machtverteilung im Kosovo zu kurz gekommen. Jetzt wollen sie sich die Macht eben bei uns holen«, erklärt dazu Antonio Milososki.

Um die Rebellen unter Kontrolle zu bringen, müsse man im Kosovo mit der Entwaffnung beginnen, verlangte daher in der vergangenen Woche der russische Außenminister Igor Ivanow. Doch das hat in den vergangenen zwei Jahren nicht geklappt, und es wird wohl auch weiterhin nicht funktionieren. Zumal die Verbindungen zwischen der UCK im Kosovo und ihren mazedonischen Kollegen bestens sind. Nach Informationen von Stratfor soll sogar Hashim Thaqi, der frühere Chef der kosovarischen UCK, persönlich am Waffenschmuggel in Richtung Mazedonien beteiligt gewesen sein.

Die Europäer allerdings könnten diesmal, anders als im Krieg gegen Jugoslawien, wesentlich mehr in die Pflicht genommen werden. »Die Bush-Administration will, dass sich die Europäer verstärkt engagieren, und möchte sich selbst darauf beschränken, dass amerikanische Truppen vielleicht nur die logistische Unterstützung für die noch zu schaffende Mfor übernehmen«, vermutet Viktor Gobarev. Wohl aus Rücksichtnahme auf die eher bescheidenen militärischen Kapazitäten der Europäer will man auch nur 3 000 Mann nach Mazedonien entsenden. Das wäre für ein Vorhaben dieser Größenordnung eine äußerst knapp bemessene Truppenstärke.

Die nächste, vielleicht jahrelange Militärpräsenz auf dem Balkan bereitet Javier Solana vor, der außenpolitische Beauftragte der EU. Ein ständiger EU-Vertreter in Skopje - im Gespräch ist der französische Verteidigungsminister François Leotard - soll die Jet-Set-Diplomatie des gehetzten Spaniers beenden. Denn Solanas Vermittlungsbemühungen leiden an einem wesentlichen Makel. Das sagt jedenfalls der OSZE-Sprecher Schenker: »Wenn Solana in Skopje weilt, scheint alles recht rasch auf eine Lösung zuzusteuern. Aber sobald er weg ist, bricht das Chaos wieder aus.«