Wahlkampf in Italien

Schwarze Oliven

Im italienischen Wahlkampf setzt der Mitte-Links-Kandidat Rutelli auf rechte Themen.

An allen Ecken grinsen die Politiker von Plakatwänden. Das ist auch in Italien nicht anders, wo die Vorbereitungen für die Parlamentswahlen, die vermutlich Anfang Mai stattfinden werden, jetzt in die heiße Phase gehen. Das rechte Oppositionsbündnis Haus der Freiheit setzt dabei auf den Vorsitzenden der Forza Italia, Silvio Berlusconi, der nun gemeinsam mit der Alleanza Nationale des Neofaschisten Gianfranco Fini und Umberto Bossis Lega Nord die Regierung übernehmen will. Schon seit Monaten hängen in Rom Plakate, die den Oppositionsführer als jungen, dynamischen Kandidaten verkaufen sollen.

Auch die noch regierende Mitte-Links-Koalition setzt auf Charisma und Personalisierung der Politik. Ihre Antwort auf Berlusconi heißt Francesco Rutelli. Seit Januar kleben an den Plakatwänden riesige Bilder des tatsächlich noch recht jungen Kandidaten. Und nicht nur die Plakate gleichen sich, auch ihre Botschaften sind ähnlich: Sie versprechen vor allem Sicherheit. Dass der Kampf gegen das Verbrechen ein Thema der rechten Opposition ist, beeindruckt Rutelli nur wenig. Er will die politische Mitte und damit einen Teil von Berlusconis Wählern für sich gewinnen.

Und so macht er offenbar ernst mit der Sicherheit. In seinem Wahlprogramm, das er im Dezember vorstellte, kündigte er den Bau neuer Gefängnisse an. Er will die Polizei dezentralisieren und verstärkt Patrouillen einsetzen. Damit auch wirklich jeder Straffällige hinter Gitter kommt, plant der Kandidat der Regierungskoalition, Gerichtsverhandlungen zu beschleunigen. Bei schweren Vergehen sollen nur noch Haftstrafen verhängt werden.

Auch ein anderes Reizthema der Rechten hat Rutelli sich zu Eigen gemacht: die Immigration. Er kündigt den Kampf gegen die Schleuser an und meint damit zugleich den Kampf gegen die unkontrollierte Einwanderung. Immigranten ohne Papiere will er durchgängig per Fingerabdruck registrieren lassen.

Der Rollentausch geht soweit, dass Rutelli der rechten Opposition vorhält, beim Thema Sicherheit zu versagen. Als Beispiel nannte er das Biondi-Dekret. Diese Amnestie, benannt nach Alfredo Biondi, dem Justizminister in Berlusconis kurzzeitiger Regierung, ermöglichte es 1994, dass »2 700 Personen entlassen wurden, die wegen schwerer Verbrechen inhaftiert waren«, so Rutelli.

Dass er neben solchen Topoi der Nulltoleranz auch die Umwelt in sein Wahlprogramm aufgenommen hat, wirkt dabei wie ein Relikt aus alten Tagen. Schließlich gehörte Rutelli in den achtziger Jahren zu den Gründern der grünen Partei in Italien. Als Grüner wurde er 1993 auch Bürgermeister von Rom. Im Rathaus entwickelte sich Rutelli schnell zum Realpolitiker, der vor allem seine eigene Karriere nicht aus den Augen verlor. Während seiner siebenjährigen Amtszeit trat er zu den Democratici über, einem Splitter der ehemaligen Democrazia christiana.

Und nicht nur die Partei hat der Karrierist gewechselt. »Piacone« wird der 46jährige genannt, einer, der es allen recht machen will, sogar dem Vatikan. Erst vor kurzem lobte der ehemals antiklerikale Aktivist in einem Fersehinterview den Papst als einen vorzüglichen Mann, der den Lauf der Geschichte und das Bewusstsein der Menschen verändert habe. Vergangene Woche hat Rutelli sein Büro im Campidoglio endgültig geräumt, um sich dem Wahlkampf zu widmen.

Seine Chancen auf einen Sieg stehen, trotz seiner populistischen Thesen, nicht besonders gut. In den Umfragen führt das rechte Wahlbündnis Haus der Freiheit. Der Abstand zwischen den Konkurrenten hängt allerdings davon ab, wer die Prognose stellt. Während die Regierungskoalition einen Vorsprung der Rechten von zwei Prozent einräumt, nennt Berlusconis Sprecher Paolo Bonaiuti andere Zahlen: 53,4 Prozent würden derzeit das Oppositionsbündnis Haus der Freiheit wählen, nur 39,9 Prozent die Mitte-Links-Parteien einschließlich der nicht an der Koalition beteiligten Rifondazione comunista.

Mitte Januar musste die Regierungskoalition auch noch ihr Projekt einer Wahlreform fallen lassen. Die Veränderung des Wahlmodus galt als eines der wichtigsten Reformvorhaben der Koalition. Per Gesetz sollte noch vor dem Frühjahr das Mehrheits- durch ein Verhältniswahlrecht ersetzt werden. Der Opposition gelang es jedoch, mit 2 000 Änderungsanträgen eine Überarbeitung des Antrags zu erzwingen. Eine Neufassung ist bis zur Wahl nicht mehr möglich.

Dabei überraschte die Vehemenz, mit der Berlusconi seine Kampagne gegen die Wahlreform führte. Immerhin beruhte der jetzige Entwurf auf seinem eigenen Vorschlag. Bereits im April 1999 misslang der Versuch des damaligen Premiers Romano Prodi, mit einem Referendum das Mehrheitswahlrecht einzuführen. Damals rief Berlusconi zum Boykott auf. Die Abstimmung scheiterte, weil nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten teilnahm.

An seine alten Forderungen scheint Berlusconi sich nun nicht mehr zu erinnern. »Hier wurde eine falsche Methode angewandt: das Wahlgesetz mitten im Wahlkampf zu verändern«, kommentierte der Fraktionsvorsitzende der Forza Italia, Enrico La Loggia. Tatsächlich ging es nicht um die Wahlreform, vielmehr gab der Streit der Opposition Gelegenheit, noch einmal kräftig die Muskeln spielen zu lassen. Das Haus der Freiheit hat bereits eine groß angelegte Reform für die Zeit nach einem Wahlsieg angekündigt.

Für Rutelli bedeutet die gescheiterte Reform, dass er auf die Unterstützung der linken Opposition verzichten muss. Rifondazione comunista hatte sich von einem proportionalen Votum einen höheren Stimmenanteil erhofft. Eine Zusammenarbeit, auf die man sich verständigt hatte, scheint nun nicht mehr möglich. Der Vorsitzende Fausto Bertinotti kommentierte verbittert gegenüber La Repubblica: »Die Wahlreform ist beispielhaft: Der Olivenbaum ist damit beschäftigt, sich immer mehr den Rechten anzugleichen.« Er rechne mit einer Wahlniederlage der Regierungskoalition.

Mit schwierigen Koalitionspartnern hat auch Berlusconi zu kämpfen. Im Haus der Freiheit ist der Lega-Chef Umberto Bossi ein unberechenbarer Partner. Mitte Januar opferte Berlusconi, um Bossi ruhig zu stellen, einen der wenigen profilierten Politiker der Forza Italia.

Innerhalb weniger Stunden büßte der Mailänder Bürgermeister Gabriele Albertini seine Glaubwürdigkeit ein, als Berlusconi ihn zwang, eine Vereinbarung mit der Lega Nord zu unterschreiben, was Albertini zuvor ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Grenzen scheinen Umberto Bossi nur dadurch gesetzt, dass die Lega ohne das Wahlbündnis nicht über die Fünfprozenthürde kommen würde.

Rutelli gibt sich trotz der schlechten Umfragen zuversichtlich. Er hat sich für den Wahlkampf mittlerweile einen erfahrenen Berater besorgt. Stanley Greenberg verhalf bereits Bill Clinton, Tony Blair, Ehud Barak und Gerhard Schröder zum Sieg. Der US-Amerikaner verbreitet Optimismus und weist auf die offensichtlichen Schwächen des Gegners hin: »Mich hat erstaunt, wie wenig Berlusconi als Politiker geschätzt wird. Er hat viele Schwächen, und die Wähler misstrauen ihm.« Im Haus der Freiheit vertraut man indes darauf, dass Greenbergs Zweckoptimismus Rutelli so wenig nützen wird wie dem letzten Kandidaten, den er im Wahlkampf beraten hat. Der hieß Al Gore.