Proteste gegen die Sparpolitik der österreichischen Regierung

Spurlos blockieren

Die Sparpolitik der österreichischen Regierung stößt auf zunehmenden außerparlamentarischen Protest.

Die Kronenzeitung wusste es am nächsten Tag ganz genau: Viele Millionen Schilling hätten die linken Randalierer den Steuerzahler gekostet. Und während sich das Zentralorgan aller anständigen Österreicher ums ohnehin schon sehr magere Portemonnaie seiner Leserschaft sorgte, sprachen Regierungspolitiker bereits von einer »Gefährdung der Demokratie« (ÖVP-Klubobmann Andreas Khol) durch die »gewaltbereite rot-grüne Chaotenpartie« (FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler) auf der Straße.

Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ) bezeichnete die Aktivitäten in klirrender Kälte als »glatten Versuch einer kollektiven Erpressung« und ein Kommentator in der regierungsfreundlichen konservativen Presse sah die Alpenrepublik bereits »am Rande bürgerkriegsähnlicher Zustände«.

Was war passiert? Die außerparlamentarische Plattform Checkpoint Austria hatte für den Dienstag vergangener Woche Straßenblockaden in ganz Österreich angekündigt, um gegen das »Budget der Grausamkeit«, das tags darauf im Parlament beschlossen wurde, zu protestieren. Die Sparmaßnahmen sehen unter anderem Einsparungen im Bildungsbereich, die Anhebung des Rentenalters sowie Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst vor.

In der morgendlichen Rushhour sollte der Verkehr »lahm gelegt« werden, so hatten es die Demonstranten jedenfalls angekündigt. Dass es dennoch wieder nur zu einer österreichischen Demovariante reichte, dafür sorgte unter anderem eine richterliche Entscheidung. Über 60 der so genannten Checkpoints wurden allein in Wien nicht zugelassen, übrig blieben lediglich 15 Kreuzungen, die offiziell blockiert werden durften.

So richtig zum Stillstand kam der Verkehr dennoch nicht - Aktivisten und Polizei einigten sich, auf eine völlige Sperrung der Fahrbahnen zu verzichten und den Verkehr zumindest einspurig passieren zu lassen. Dennoch zeigten sich Autofahrer und Beamte wegen der Proteste zusehends genervt, Beschimpfungen und einzelne Übergriffe waren die Folge.

Als sich die Checkpoints auflösten, waren die Lehrer am Zug, sie legten für einen Tag die Arbeit nieder. Und da das Wort »Streik« in Österreich erstens verpönt ist und zweitens so grausam klingt, verwendete man - wie auch schon letztes Jahr die Eisenbahner - die abgeschwächte Form: den Warnstreik. 20 000 Lehrer unterrichteten nicht, 185 000 Kinder hatten schulfrei. Am Abend bildeten schließlich etwa 8 000 Gewerkschaftsmitglieder eine Menschenkette um das Parlament und demonstrierten gegen die Sparpläne.

Dass selbst Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ungewöhnlich laute Worte der Missbilligung für die Aktionen auf der Straße fand, mag zwar wegen seines beharrlichen Schweigens zur »Spitzelaffaire« verwundern. Doch die gereizten Reaktionen vieler Regierungsmitglieder sind ein Indiz dafür, dass ihnen die Proteste auf die Nerven gehen. Lieber heute als morgen würden sie die regierungskritischen Donnerstagsdemonstrationen, die nun schon seit Anfang Februar regelmäßig für Unruhe sorgen, verbieten lassen.

Wenn es jedoch gilt, Österreich nach außen zu verteidigen, wie etwa bei den Brennerblockaden oder bei den Protestaktionen gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelin, dann sind sich auch führende Politiker nicht zu schade, um vor Ort ihre Solidarität mit den »Heimatschützern« zu bekunden. Regierungsfeindliche Protestaktionen sind hingegen unerwünscht und werden immer öfter mit kriminellen Aktivitäten gleichgesetzt.

Die aggressiven Kommentare zeigen jedoch auch, wie nervös die Regierungskoalition in Wien mittlerweile geworden ist. Ihre unpopulären Sparmaßnahmen verursachen nicht nur Proteste auf den Straßen. Auch in Wahlen erleidet die Koalition derzeit eine Niederlage nach der anderen. So musste bei den Landtagswahlen im Burgenland vorvergangene Woche die FPÖ wieder empfindliche Einbußen hinnehmen. Die ÖVP verlor ebenfalls Stimmen, während Sozialdemokraten und Grüne deutlich hinzugewannen. Das große Zittern in der ÖVP kann also beginnen, denn sollten die Freiheitlichen bei den Kommunalwahlen in Wien im Frühjahr erneut eine Niederlage erleben, könnte die schwarzblaue Koalition schon bald am Ende sein.

Doch je mehr sich die FPÖ in die Enge getrieben sieht - ob durch die Spitzelaffäre oder durch Wahlniederlagen - desto aggressiver reagiert sie. Deshalb will sie als erstes mit den »gewaltbereiten Randalierern von der Straße« aufräumen. Deshalb fand auch Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) einen Vorschlag Jörg Haiders durchaus überlegenswert. Demzufolge sollen Politiker, die sich negativ über Österreich äußern, künftig strafrechtlich belangt werden.

Was man mit hochrangigen Volksvertretern tun möchte, kann an lästigen Demonstranten allemal ausprobiert werden. Diejenigen, die bei den Protesten gegen den Wiener Opernball von vermummten Polizisten verprügelt und anschließend wochenlang in U-Haft gehalten wurden, können Auskunft geben über das österreichische Verständnis der Demonstrationsfreiheit.

Checkpoint Austria hat bereits weitere Aktionen angekündigt. Auch die Donnerstagsdemos werden fortgesetzt, zumindest bis zum Jahrestag des Regierungsanstritts von Blau-Schwarz Anfang Februar kommenden Jahres. Und dass die FPÖ den im Januar beginnenden Wiener Wahlkampf wieder ganz dem Thema »Ausländer raus« widmen wird, steht ebenfalls fest.