Pläne zur Reform des Rundfunkgesetzes in Indonesien rufen Protest hervor

Negativer Lebensstil

In Indonesien wird über eine restriktive Überarbeitung des Rundfunk­gesetzes von 2002 debattiert. Kritiker warnen, dass die geplanten Änderungen den investigativen Journalismus und die freie Meinungs­äußerung im Internet einschränken würden.

Journalistischen Verbände und Akti­vis­t:in­nen verurteilen die jüngst vorgeschlagenen Änderungen des indonesischen Rundfunkgesetzes, weil sie dazu genutzt werden könnten, die Bericht­erstattung über wichtige Themen, insbesondere investigative Arbeiten, zu unterdrücken und so die Pressefreiheit einzuschränken. Das Rundfunkgesetz wurde 2002 verabschiedet und sollte erstmals 2010 im Rahmen eines na­tionalen Gesetzesprüfprogramms überprüft werden. Nun sollen die vorgeschlagenen Änderungen fast abgeschlossen sein und werden noch von einem Parlamentarischen Komitee beraten. Sie illustrieren die derzeit voranschreitende Deliberalisierung des Inselstaats.

Zwei Artikel gelten dabei als besonders problematisch. Die Rundfunkkommission KPI soll die Befugnis bekommen, anstatt des Presserats Streitigkeiten im Zusammenhang mit journa­listischen Arbeiten zu lösen. Es gibt Befürchtungen, dass die Übertragung der Zuständigkeit den Presserat und seine Rolle bei der Gewährleistung der Pressefreiheit schwächen wird. Die zweite Änderung will digitale und Fernsehübertragungen von »exklusivem investigativem Journalismus« beschränken.

Was als investigativ gilt, ist nicht definiert, was eine breite Auslegung des Verbots zulässt. Nani Afrida, die Vorsitzende der Allianz von Unabhängigen Journalist:innen (AJI), verweist in einer Stellungnahme darauf, dass der nun vorliegende »Gesetzentwurf eindeutig darauf abzielt, den investigativen Journalismus einzuschränken, der die Grundlage einer freien Presse bildet. Indem die Regierung die Möglichkeiten von Journalisten einschränkt, Ermittlungsarbeit zu leisten und deren Ergebnisse zu verbreiten, versucht sie, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und die öffentliche Kontrolle einzuschränken.«

Der vorliegende Entwurf würde ­zudem die Berichterstattung über LGBT-Themen drastisch einschränken – beispielsweise darf Diskriminierung nicht mehr als solche benannt werden –, ebenso die über »Berufe oder Persönlichkeiten mit negativem Lebensstil«, eine Umschreibung, die den indonesischen Zensurbehörden maximalen ­Interpretationsspielraum lässt. Strafmaßnahmen gegen Zuwiderhandlungen umfassen sowohl Warnungen wie auch den Entzug von Presse- und Rundfunklizenzen. Die Rundfunkkommission droht darüber hinaus ihre ­Unabhängigkeit einzubüßen, da sie verpflichtet wird, sich mit dem Par­lament zu beraten, wann immer Rundfunkregelungen neu gefasst werden sollen.

Allein 2023 hat die Allianz von Unab­­hängigen Journalist:innen 89 Übergriffe auf Journalist:innen und unabhängigen Medien­schaffenden vermeldet.

Unberührt von den Veränderungen allerdings bleiben die Regelungen zum privaten Besitz von Rundfunkinstitutionen. Indonesiens Medien werden überwiegend von wenigen, aber sehr einflussreichen Mogulen kontrolliert. Unternehmern wie Surya Paloh und Hary Tanoesoedibjo gehören nicht nur Verlagshäuser oder Fernsehsender, sondern weitverzweigte multimediale Plattformen. Diese Medien berichten einseitig im Sinne der politischen Ansichten ihrer Eigner und haben großen Einfluss auf andere Branchen, zum Beispiel über digitale Portale für Wohnungs- und Arbeitssuche, aber auch Reisen und Glücksspiel.

De facto ist die Pressefreiheit in Indonesien immer mehr gefährdet. Allein 2023 hat die AJI 89 Übergriffe auf Jour­na­list:innen und unabhängige Medienschaffende vermeldet, ein Höchststand innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Darunter waren auch physische und sexuelle Übergriffe, digitale Drohungen und Kriminalisierung. Vor allem investigative Journalist:innen, die über Korruption und Machtmissbrauch berichten, aber auch über Umweltverschmutzung und religiöse Konflikte, haben mit Einschüchterung zu rechnen.

Auch die Überarbeitung des 2008 erlassenen Gesetzes über elektronische     Informationen und Transaktionen (ITE-Gesetz), das die Rechte von Personen an geistigem Eigentum und andere Geschäfts- oder Verbraucherangelegenheiten online bewahren sowie sie auch vor Falschmeldungen und bei elek­tronischen Transaktionen schützen soll, trägt mittlerweile zur Einschüchterung von kritischen Stimmen bei. Der AJI zufolge wurden zwischen 2008 und 2016 mehr als 30 Journalist:innen wegen Verstößen gegen das Gesetz angezeigt und vier von ihnen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Einer von ihnen war Muhammad Asrul, der Anfang 2020 wegen seiner Berichterstattung über Korruptionsvorfälle unter lokalen Poli­ti­ker:in­nen in der Provinz Südsulawesi für mehrere Monate eingesperrt wurde. Der Vorwurf gegen ihn war Verleumdung, was gemäß dem damaligen Gesetz – es wurde 2016 und 2023 über­arbeitet – mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden konnte.

Den Vorwurf der Verleumdung mussten auch Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti, zwei namhafte Men­schen­­recht­­ler:innen, hinnehmen. Im August 2021 hatte Azhar, der auch als Anwalt praktiziert, ein Video bei Youtube hochgeladen, das ein Gespräch mit Maulidiyanti, der Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Kommission für Vermisste und Opfer von Gewalttaten (Kontras) wiedergibt, die sich bis heute um Aufklärung von Verbrechen in der Ära des Diktators Suharto (1967–1998) bemüht. In dieser Unterhaltung nennen die beiden ­einige Unternehmen, die an der Ausbeutung der Goldmine Wabu Block in Westpapua beteiligt sind, der Westhälfte der Insel Neuguinea, einer rohstoffreichen, aber ansonsten weitest­gehend vernachlässigten Region im Osten Indonesiens.

Sichtlich verärgert darüber zeigte sich Luhut Binsar Pandjaitan, der Koordinierende Minister für maritime Angelegenheiten und Investitionen, der Azhar und Maulidiyanti gleich zwei Vorladungen schickte, damit diese offenlegen, was sie zum Hochladen des Videos motiviert habe. Haris Azhar nutzte die Gelegenheit, um auf einen zuvor erschienenen Bericht, heraus­gegeben von mehreren indonesischen NGOs unter dem Titel »Political Economy Study of Military Placement in Papua: The Case of Intan Jaya« zu verweisen, der etlichen Angehörigen des indonesischen Militärs vorwirft, wirtschaftliche Interessen bei der Ausbeutung der Mine zu verfolgen.

Im September 2021 reichte der Minister bei der Polizei eine Anzeige gegen Azhar und Maulidiyanti ein. Außerdem verlangte er von beiden jeweils eine Entschädigung in Höhe von 100 Milliarden Rupien (umgerechnet 5,7 Millionen Euro). Die Staatsanwaltschaft forderte darüber hinaus Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und vier Jahren für die beiden. Umso überraschender war der Freispruch, den das Bezirksgericht in Ostjakarta beiden im Januar 2024 erteilte. Einen weiteren juristischen Sieg konnten sie erzielen, als das indonesische Verfassungsgericht im Januar entschied, drei Klauseln aus dem Strafgesetzbuch von 1946 zu streichen, die »Falschnachricht« und »Verleumdung« uneindeutig definierten und deshalb wiederholt genutzt worden waren, um legitime Kritik an der indonesischen Regierung zu verhindern beziehungsweise zu bestrafen. Unmittelbar nach dieser gerichtlichen Entscheidung wurden einige laufende Verfahren wegen Diffamierungsvorwürfen eingestellt.

Doch trotz dieser erfreulichen Urteile ist es um Indonesiens Pressefreiheit keineswegs gut bestellt. Das überarbeitete Strafgesetzbuch, das ab 2026 sukzessive in Kraft treten soll, enthält Paragraphen, die für die Beleidigung des Präsidenten und des Vizepräsidenten bis zu dreijährige Haftstrafen vorsehen. Diese Neuerungen, die an das alte Delikt der Majestätsbeleidigung erinnern, könnten Kritik an der Regierung weitgehend einschränken und Machtmissbrauch vor allem im Präsidentschaftswahlkampf Vorschub leisten.

Am 20.Oktober soll Prabowo Subianto, der Gewinner der Präsidentschaftswahl vom Februar, als neuer Präsident Indonesiens vereidigt werden. Der designierte Präsident, der wegen des Vorwurfs von Menschenrechtsverletzungen 1998 unehrenhaft aus dem indonesischen Militär entlassen wurde und bis vor kurzen noch ein Einreiseverbot in die USA hatte, ist nicht für seine Nachsichtigkeit gegenüber Kritiker:innen bekannt. Bereits während des Wahlkampfs kam es zwischen Prabowo und einigen Pres­se­vertreter:innen zu unschönen Begegnungen, Beleidigungen und Einschüchterungen, bei denen der Präsidentschaftskandidat auch nicht davor zurückschreckte, Medien­ver­tre­ter:in­nen mit Schimpfwörtern zu belegen.

Zwar ist Prabowos Versuch gescheitert, eine kritische Dokumentation über die systematischen Manipulationen und Vorteilsnahmen im Wahlkampf von 2024 zu verbieten, aber sein bisheriges Verhalten bietet ausreichend Grund zur Sorge. Indonesien ist im globalen Index zur Pressefreiheit, den die NGO Reporter ohne Grenzen jedes Jahr erstellt, bereits weiter abgestiegen, von Platz 108 im Vorjahr auf Platz 111 (von insgesamt 180).