Neue Vereinbarung im Nordirland-Prozess

Irische Mantras

So muss man's machen: Ein Jahr hartnäckig sein Mantra murmeln - "no guns, no government" -, und damit auch noch einen äußerst günstigen Kompromiss erreichen. Das haben die Ulster Unionists gerade vorexerziert. Und entgegen der Darstellung in der internationalen Presse ist die IRA zurückgewichen.

Am Mittwoch vergangener Woche hat sie sich schließlich bereit erklärt, einen Vertreter in die Entwaffnungskommission unter dem kanadischen General John de Chastelain zu entsenden - sobald die neue nordirische Regionalregierung unter Beteiligung von zwei Ministern der IRA-nahen Sinn Féin eingesetzt ist. Der Chef der Ulster Unionist Party, David Trimble, meinte daraufhin, die Ernennung eines IRA-Vertreters sei ausreichend, um eine Regierung zu bilden.

Bislang hatten die Unionisten darauf beharrt, nicht in die Vierparteien-Regierung einzutreten, bevor die IRA nicht mit der Entwaffnung begonnen habe. Mit dieser Forderung hatten die Vertreter einer Union mit Großbritannien ein Jahr lang die Regierungsbildung herausgezögert, die in dem Karfreitagsabkommen von 1998 vereinbart war - gegen dessen Wortlaut. Dort war lediglich vorgesehen, dass die Abrüstung "im Kontext der Implementierung des gesamten Übereinkommens" stattfinden solle.

Man könnte sich fragen, welche Probleme die IRA damit hat, einige Waffen und ein wenig Semtex abzuliefern, um den Weg Sinn Féins in die Regierung freizumachen. Betrachtet man die jüngere Geschichte der IRA, wird das jedoch verständlich. 1969 war die republikanische Führung zur Politik übergegangen, in einem Moment, als der loyalistische Mob in schutzlosen, weil entwaffneten katholischen Gebieten Pogrome durchführte. IRA galt damals als Kürzel für "I Ran Away", und das hat sich in das Gedächtnis ihrer Militanten eingebrannt.

Darüber hinaus stand es nie zur Debatte, dass in den sechs Grafschaften vor einer Regierungsbildung die übermächtigen Gegner der IRA, also die loyalistischen Gangs, die Polizeitruppe RUC und die britische Armee, entwaffnet würden. Die haben gemeinsam den schmutzigen Krieg geführt - gegen die IRA und den Traum von einem "vereinigten, sozialistischen Irland", wie er sich in den siebziger Jahren durchzusetzen schien.

Die lange Zusammenarbeit der RUC mit loyalistischen Todesschwadronen beispielsweise ist seit langem ein offenes Geheimnis. Vergangene Woche führte dies in den USA gar zu einem Gesetzentwurf, den der Kongress wohl annehmen wird: Die Ausbildung von RUC-Offizieren durch das FBI soll nur noch unter der Bedingung finanziert werden, dass RUC-Offiziere daran teilnehmen, die nicht in sog. Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, z.B. in die Morde an den beiden nordirischen Anwälten Pat Finucane und Rosemary Nelson.

Dass die IRA nun eingelenkt hat, bedeutet noch lange nicht, dass den Unionisten dieses Zugeständnis ausreicht. Trimble muss nun den 850köpfigen Rat seiner Ulster Unionist Party überzeugen, seinem Kurs zu folgen. Das dürfte nicht leicht sein. Seit der Jahrhundertwende war der unionistische Hauptslogan "Ulster Says No" - und in diesem Licht erscheint ihre sture Haltung in den letzten zwölf Monaten als Taktik, den Status quo aufrechtzuerhalten und den republikanischen Kräften keine Macht zuzugestehen. Das ist nun gefährdet. Keineswegs aber im Sinne eines linken Projekts. Der Traum vom Sozialismus in Irland ist zu Ende. Sinn Féin ist dabei, sich als ganz normaler Verwalter des irischen Kapitalismus zu etablieren - im Sinne eines eigenen Mantras: "No guns, but government".