"Vivre au paradis" von Bourlem Guerdjou

Schmutzige Franzosen

Es ist sicherlich kein Zufall, daß in Frankreich der Kinostart des Films "Vivre au paradis" von Bourlem Guerdjou über die massiven Polizeiaktionen gegen Algerier Anfang der sechziger Jahre zeitlich mit der Urteilsverkündung im Prozeß des verurteilten Nazi-Kollaborateurs Maurice Papon gegen den Publizisten Jean-Luc Einaudi zusammenfällt.

Regisseur Bourlem Guerdjou hatte seit 1992 versucht, den gleichnamigen autobiographischen Roman von Brahim Benaicha über seine Kindheit in einem Bidonville, einem Slum für Arbeitsimmigranten im Frankreich der fünfziger und sechziger Jahre, zu verfilmen.

Während der über einen Zeitraum von fünf Jahren geführten Verhandlungen mit verschiedenen Produktionsfirmen hatte man Guerdjou immer wieder abgeraten, diesen Stoff ins Kinos zu bringen. Mit Unterstützung von Arte, Canal Plus und Eurimage gelang es schließlich, den Film zu finanzieren.

Aus den Bidonvilles der westlichen Pariser Vororte waren am 17. Oktober 1961 algerische Arbeiter auf die Place de l'ƒtoile im Stadtzentrum geströmt, um gegen den Algerien-Krieg zu protestieren. Diese Szenen sind im Film nachgestellt. Auch die Repression der von Papon befehligten Polizei wird gezeigt, man sieht die CRS-Beamten unbarmherzig auf die Immigranten einprügeln.

"Vivre au paradis" beschäftigt sich auch mit einem nach wie vor tabuisierten Thema: das Einsammeln der "revolutionären Steuern" durch den FLN und die mitunter wenig freiwillige Organisierung der Arbeitsimmigranten durch die Kader der Unabhängigkeitsbewegung.

Papon hatte in dem Pariser Prozeß versucht, diesen Umstand als Argument zu seinen Gunsten zu nutzen: Die verhafteten Algerier seien "froh gewesen", weil sie auf diese Weise "den Fängen des FLN entgangen" seien.

Regisseur Bourlem Guerdjou ist um eine differenzierte Darstellung der Situation der Migranten bemüht. Weniger der Zwang durch den FLN ist für ihn die Ursache dafür, daß die Immigranten sich der Autorität der Bewegung fügen, sondern die Solidarität der Community in einer den Migranten feindlich gesinnten französischen Gesellschaft.

Wenn Lakhdar (Roschyd Zem), der Protagonist des Films, schließlich widerwillig dem Aufruf zur Demonstration folgt, dann nicht, weil er dem Zwang des FLN nachgeben würde. Zur Teilnahme entschließt er sich erst, als er von einem Freund als "schmutziger Franzose" bezeichnet und damit aus der Solidarität der Community ausgegrenzt fühlt.