Der Vizepräsident Paraguays wird Opfer eines Attentats

Panzer, Tote, Putschgerüchte

In Paraguay herrscht das Klima eines Staatsstreichs. Das Militär ist in der Hauptstadt Asunci-n gegen Zehntausende von Demonstranten vorgegangen, und am Freitagabend wurde scharf geschossen. Mindestens vier Menschen kamen ums Leben.

Begonnen hatte alles am Dienstag vergangener Woche. Da wurde Vizepräsident Luis Maria Argaña von einem Kommando erschossen, das in militärischen Tarnanzügen steckte. Am folgenden Tag begleiteten Tausende den Sarg des ermordeten Vizepräsidenten, und keiner aus der politischen Führungsriege fehlte - mit Ausnahme des Präsidenten Raúl Cubas. Dies hat Gerüchten in Asunción weitere Nahrung gegeben; bereits direkt nach dem Mord an Argaña hatte dessen Familie den Präsidenten und den Putschgeneral von 1996, Lino Oviedo, für das Attentat verantwortlich gemacht. Verhaftet wurde bislang niemand wegen des Anschlags.

Zum offenen Machtkampf kommt es insbesondere innerhalb der Colorado-Partei, die seit mehr als 50 Jahren in Paraguay regiert - auch unter der Diktatur Alfredo Stroessners bis 1989. Zwei Flügel stehen sich gegenüber: einer um den seit vergangenen August regierenden Präsidenten Raœl Cubas und dessen Freund und politischen Ziehvater, den Putschgeneral Lino Oviedo; der andere steht hinter dem ermordeten Argaña.

Arga-a war einer der einflußreichsten Gegenspieler Oviedos, als dieser sich im letzten Jahr als Präsidentschaftskandidat nominieren lassen wollte. Diesen Plan hatte Argaña zusammen mit dem korrupten Ex-Präsidenten Juan Carlos Wasmosy vereitelt, indem sie einen Prozeß gegen Oviedo anstrengten - wegen des Putschversuchs vom Juli 1996. Der Militärgerichtshof verurteilte ihn zu zehn Jahren Haft, und damit war Oviedo ausgebootet.

Aber Cubas konnte sich als Präsidentschaftskandidat der Colorados durchsetzen - gegen Arga-a. Im Wahlkampf plakatierten Cubas-Anhänger "Cubas an die Regierung, Oviedo an die Macht". Und kaum war Cubas an der Regierung, ließ er seinen autoritären Kumpel laufen. Das höchste Gericht des Landes forderte im Dezember zwar eine erneute Inhaftierung Oviedos, aber Cubas mißachtete dies. Am vergangenen Donnerstag hat der Senat deswegen ein Amtsenthebungsverfahren gegen Cubas eingeleitet. Der hat mittlerweile Oviedo wieder unter Arrest gestellt, aber seine Gegner sehen darin nur ein politisches Manöver.

"Es ist die Entscheidung der Mehrheit der Mitglieder unserer Kammer, daß ein Gericht sich mit der Angelegenheit beschäftigen muß", so der oppositionelle Abgeordnete Gonzalo Quintana. Das Gericht bildet in diesem Fall der Senat selbst. Angesichts der derzeitigen Stimmung ist es sehr wahrscheinlich, daß Opposition und der Arga-a-Flügel der Colorado-Partei, die zusammen über zwei Drittel der Stimmen im Senat verfügen, den Präsidenten verurteilen werden.

Wenn nichts dazwischenkommt. Denn in der Nacht auf Samstag lieferten Anhänger von Cubas/Oviedo sich heftige Straßenschlachten mit Gegnern des Präsidenten. Seit dem Mord an Argaña hatten sich Tausende von Cubas-Gegnern auf dem Platz vor dem Kongreßgebäude versammelt. In der Nacht auf Samstag feuerten Heckenschützen scharf in die auf einige Zehntausend angewachsene Menge der Cubas-Gegner, Barrikaden brannten, Steine und Feuerwerkskörper flogen.

Einige Panzer wurden aufgefahren. Aber das kann auch eine Drohung gegenüber den Senatsmitgliedern sein. Die wollten das Verfahren gegen Cubas am Wochenende eröffnen.