Vier Dollar Kopfgeld

Nach dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Ecuador bleibt die Wahl zwischen zwei rechten Kandidaten. Auch der verrückte Ex-Präsident Bucaram mischt mit

"Zu Jamil Mahuad gibt es keine Alternative", verkündeten in der vergangenen Woche in Ecuador ausgerechnet zwei Kandidaten, die im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl noch gegen den Christdemokraten angetreten waren: Rodrigo Borja, Kandidat der sozialdemokratischen Izquierda Democr‡tica und zwischen 1988 und 1992 Präsident des Landes, und der bekannte Fernsehjournalist Freddy Ehlers. Beide waren mit 14 bzw. zwölf Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang am 31. Mai gescheitert, statt dessen wird in der Stichwahl der Populist Alvaro Noboa Pont-n gegen Mahuad antreten.

Dabei war sich die Öffentlichkeit so sicher, daß die 7,1 Millionen stimmberechtigten Ecuadorianer nicht erneut auf einen Populisten setzen würden. Hatten sie doch erst am 6. Februar letzten Jahres den damaligen Amtsinhaber Abdala Bucaram, genannt "el locco" - der Verrückte -, per Referendum wegen "geistiger Unfähigkeit" seines Postens enthoben. Mit knapp 30 Prozent nimmt der reichste Mann des Landes dennoch an den für den 12. Juli vorgesehenen Stichwahlen teil. Im Wahlkampf hatte sich Noboa Pont-n linkspopulistisch gegeben und 200 000 Sozialwohnungen und eine Million neue Arbeitsplätze versprochen. Rund 50 Millionen US-Dollar soll ihn die Wahlkampagne gekostet haben.

Um einen Sieg des 47jährigen Bananenexporteurs zu verhindern, setzen Borja und der als linker Hoffnungsträger geltende Ehlers nun auf Mahuad, den ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt Quito. Der in Harvard ausgebildete Jurist und Universitätsdozent, der in der Millionenmetropole die Stadtverwaltung und das Verkehrssystem reformierte und fliegende Händler wie Obdachlose aus der City vertreiben ließ, entschied zwar den ersten Wahlgang mit 36,7 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich, verfügt aber nicht über so große Finanzmittel wie Noboa, der insgesamt 105 Unternehmen besitzt.

Formell als unabhängiger Kandidat antretend, aber die Infrastruktur der Partido Roldosista Ecuatoriano nutzend - die nach dem von 1979 bis 1981 regierenden christdemokratischen Präsidenten Jaime Rold-s benannt ist -, stellte sich Noboa als selbstloser Wohltäter dar. Er besuchte die von heftigen Regenfällen und Überschwemmungen betroffene Küstenregion und verteilte dort Geld (vier US-Dollar pro Kopf) und Lebensmittel als Wahlgeschenke. Auch seine Frau, eine Ärztin, richtete einen medizinischen Hilfsdienst und zahlreiche improvisierte Hospitäler in der Region ein und verhalf ihrem Mann zu Präsenz in Funk und Fernsehen.

In dem weniger programmatisch geprägten Wahlkampf dominierten vor allem gegenseitige Vorwürfe das Geschehen: Mahuad, so war seitens des reichen Polit-Neulings zu hören, würde sich seinen Wahlkampf von den Drogencliquen des Landes finanzieren lassen und sich aus dieser Quelle auch persönlich bereichern.

Mahuad, Enkel libanesischer Einwanderer, konterte mit dem Argument, diese "Diffamierungen" kämen eigentlich aus dem nördlich gelegenen Panama. Dort nämlich sitzt der Ex-Präsident Bucaram. Noboa gilt als enger Freund Bucarams und kündigte bereits an, dem Ex-Präsidenten im Falle eines Wahlsiegs die Rückkehr zu ermöglichen und ihn zu rehabilitieren. In der Tat hat sich Bucaram aus dem Exil zu Wort gemeldet. In zwei ecuadorianischen Fernsehsendern und mit einer Anzeigenkampagne in Tageszeitungen bezog er eindeutig Stellung für "seinen Kandidaten" Noboa.

Insgesamt zeichnete sich in Meinungsumfragen allerdings in weiten Teilen der Bevölkerung eine "Demokratiemüdigkeit" ab. Als Alternative aber werden in der öffentlichen Diskussion fast ausschließlich autoritäre Staatsmodelle erwogen. Für die größte außerparlamentarische Gruppierung, die Indigena-Organisation Confederaci-n Indigena del Ecuador (Conaie), verkörpert bereits Noboa als "Rückkehr zum bucaramato" puren Autoritarismus. Obwohl die Conaie im ersten Wahlgang ein Zweckbündnis mit dem linken Hoffnungsträger Ehlers einging, um ihre Forderungen nach Agrarreform und politischer Partizipation der Indigenas umzusetzen, will sie im zweiten Wahlgang keine Wahlempfehlung abgeben. Statt dessen, so heißt es in einer Erklärung, "werden wir unsere Basisorganisationen aufrufen, jeden Versuch, zum bucaramato zurückzukehren, zu verhindern."