Schienenkrieg in Sibirien beendet

"Zum Glück ist das hier nicht Indonesien". Optimismus gehört wohl zum Geschäft von Weltbankpräsident James Wolfensohn. Auch wenn der Streik Zehntausender Bergleute in den russischen Kohlenrevieren am Wochenende größtenteils beigelegt wurde, kam Rußland in den letzten Wochen indonesischen Verhältnissen bedrohlich nahe. Eine gewaltsame Lösung des "Schienenkriegs" wurde zuletzt nicht mehr völlig ausgeschlossen. Erst nach weitgehenden Zugeständnissen der Regierung - sie versprach die Auszahlung der Löhne sowie die Lösung der sozialen Probleme - haben die streikenden Kumpel nun die besetzten Teilstücke der Transsibirischen Eisenbahn geräumt. Ebenso gaben die Bergleute im südrussischen Kohlerevier Rostow am Don die Blockade der nordkaukasischen Eisenbahn auf. In Westsibirien wurde der Zugverkehr hingegen noch nicht aufgenommen.

Wütend sind die Kumpel vor allem über die fehlenden Lohnzahlungen, die sie meist mit sechsmonatlichem Verzug erhalten. Die russische Führung sieht sich hingegen als Opfer einer Verschwörung. Sie spricht von einem "Informationskrieg", der gegen sie geführt werde; einflußreiche Medientycoons hätten die Kohle-Krise benutzt, um die Regierung unter Druck zu setzen.

Verantwortlich für die Misere sind ihrer Ansicht nach jedoch die Abnehmer der Kohle sowie die Zwischenhändler. Die Regierung hat deshalb Sonderdelegationen der Polizei in die Region entsandt, um die fehlenden Gelder einzutreiben. Eine andere Möglichkeit, die ausstehenden Löhne zu bezahlen, besitzt die Regierung angesichts des katastrophalen Haushaltslage nicht. "Wem sollen wir denn das Geld wegnehmen - den Pensionären, den Studenten, den Ärzten, den Lehrern, den Metallarbeitern?" fragte Präsident Jelzin noch vor wenigen Tagen.