Gescheiterter Putsch

Der formale Akt ging ungestört über die Bühne. Als am vergangenen Donnerstag der neue Präsident Montenegros, Milo Djukanovic, den Amtseid leistete, waren auf den Straßen nicht wie in den Tagen zuvor die Anhänger des abgewählten Momir Bulatovic präsent, sondern die jubelnden Wähler Djukanovics. In der alten Residenzhauptstadt Cetinje feierten sie den Triumph des reichsten Manns der jugoslawischen Teilrepublik. Zur gleichen Zeit versammelte sich die komplette Belgrader Anti-Milosevic-Riege zum Amtsantritt des von den USA und der BRD umworbenen Emporkömmlings. Unter den Schlagworten "Demokratie und die Anbindung an Europa" probten der Rechtsextremist Vojislav Seselj sowie die nationalistischen serbischen Oppositionsführer Zoran Djindjic und Vuk Draskovic den anti-jugoslawischen Schulterschluß mit Djukanovic, der seinen Posten als Ministerpräsident zugunsten des Präsidentenamts abgab.

Noch am Tag vor der Amtsübernahme hatten rund 10 000 Anhänger des bei der Stichwahl nur um einige Tausend Stimmen unterlegenen Bulatovic in der Hauptstadt Podgorica gegen "Wahlbetrug" protestiert. Nachdem ihr Versuch, das Parlamentsgebäude zu stürmen, gescheitert war, machte die Staatsanwaltschaft Bulatovic für die Ausschreitungen verantwortlich und stellte Haftbefehl gegen den Milosevic-Vertrauten aus.

Somit schlug die montenegrinische Staatsanwaltschaft in dieselbe Kerbe wie der US-Sonderbeauftragte für das ehemalige Jugoslawien, Robert Gelbard. Noch am Tag vor der Amtsübernahme hatte er Milosevic in Belgrad vorgehalten, "die Demonstrationen unterstützt und seinen Kollegen Bulatovic nicht in Schranken gehalten" zu haben. Sollte er die Blockade der Amtsgeschäfte des vom Westen protegierten und auf stärkere Eigenständigkeit Montenegros drängenden Djukanovic fortsetzen, müßte er mit der Fortdauer der gegen Jugoslawien verhängten Sanktionen rechnen.

Indes zeichnete sich bereits während der mehrtägigen Demonstrationen ein neuer Kurs Belgrads gegenüber Djukanovic ab. Um einen Ausgleich zwischen den zerstrittenen Parteien bemüht, hatte Milosevic seinen Ministerpräsidenten Kontic nach Podgorica geschickt. Bisher auf seiten Bulatovics, scheint ein Kompromiß Milosevics mit dem neuen Präsidenten wahrscheinlich: Nachdem, Berichten der montenegrinischen Tageszeitung Pobjeda zufolge, Bulatovic im Obersten Verteidigungsrat verkündet hatte, 100 000 Anhänger mobilisieren zu können, aber nicht mehr als ein Zehntel den Protestaufrufen folgte, gingen die jugoslawischen Medien unisono davon aus, daß Milosevic Bulatovic zugunsten einer Annäherung an Djukanovic fallen läßt. Der betonte dann auch in seiner Antrittsrede das Festhalten am jugoslawischen Gesamtstaat - zumindest rhetorisch distanzierte er sich so von früheren sezessionistischen Bestrebungen. Die Karriere Bulatovics scheint auch angesichts seiner drohenden Festnahme beendet, die Putschgerüche sind vorerst verstummt.

Daß der von Diplomaten und vielen Journalisten üblicherweise aufgemachte Widerspruch zwischen dem "pro-westlich" orientierten Djukanovic und seinem "gesamt-jugoslawischen" Gegenpart Bulatovic nicht mehr aufgeht, mußte am vergangenen Freitag selbst die FAZ anerkennen: Djukanovic müsse erst beweisen, so das noch jeder separatistischen Strömung auf dem Balkan zugeneigte Blatt, "daß er die angekündigten Reformen auch zu verwirklichen bereit ist".