Riots, Riots, Riots

Gewalt in den Banlieus

Frankreichs Banlieues - Ghettos ähnelnde Vorstädte, die sich um alle größeren Städte ballen - kommen seit Monaten nicht zur Ruhe. Bereits seit Anfang der achtziger Jahre sind die Banlieues in regelmäßigen Abständen, meist im Frühjahr oder im Herbst, Schauplätze von Unruhen. Der Ablauf ist oft ähnlich: Am Anfang steht häufig der Tod eines Jugendlichen, der bei der Fahrt mit einem (tatsächlich oder vermeintlich) gestohlenen Auto oder bei einer Personenkontrolle durch Polizisten getötet wird. Doch in den letzten Jahren ist eine Verschärfung und Ausbreitung der Riots zu beobachten. Die letzten Monate und der Jahreswechsel markieren den bisherigen Höhepunkt der spontanen Ausbrüche in den Banlieues.

Im Roubaix, zwischen Lille und der belgischen Grenze, beginnt der "heiße Herbst" am 20. Oktober: Jugendliche, die zu einem Rap-Konzert unterwegs sind, können ohne Bezahlung nicht in den Bus einsteigen. Sie passen den von seiner Runde zurückkehrenden Bus ab, ein Molotowcocktail wird geworfen. Die Polizei nimmt zwei Jugendliche in einem "Problemviertel" fest.

In den folgenden Wochen weitet sich der Aufruhr auf mehrere Städte des Industriezentrums Nord-Pas de Calais aus. In La Seyne-sur-Mer bei Toulon werden am 11. November zwei Jugendliche auf einem Motorrad von einem Polizeifahrzeug überfahren, einer stirbt. Nur drei Nächte später kommt es in der Hochhaussiedlung Berthe zu Unruhen. Die Bereitschaftspolizei CRS trägt wesentlich zur Eskalation des Konflikts bei, ihr Einsatz ähnelt einer Strafexpedition: Tränengasgranaten fliegen, rassistische Sprüche fallen, Gummigeschosse werden eingesetzt.

Im elsässischen Mulhouse werden am 19. November drei Jugendliche festgenommen, die eine 21jährige sexuell belästigt hatten. Am nächsten Tag durchschlägt ein Geschoß ein Busfenster, die Buslinie wird mit Molotowcocktails beworfen.

Im Dezember geht's weiter: Ein junger Mann stirbt 40 Kilometer vor Paris bei einer Polizeisperre: Die Beamten hatten auf ihn geschossen, weil er nicht anhalten wollte. Er war den Polizisten persönlich bekannt, so daß diese ihn für sein Delikt - Fahren ohne Führerschein - auch am nächsten Tag hätten aufsuchen können. Zur selben Zeit tötet ein bereits zweimal wegen Dienstvergehen suspendierter Polizist in Lyon den 24jährigen Fabrice F., der kurz zuvor in einem Hochhausviertel bei Lyon verhaftet worden war. Er hatte dort einer Schlägerei zugesehen. In den folgenden Tagen kommt es in den Vorstädten von Paris und Lyon zwischen Jugendlichen und der Polizei zu einer Auseinandersetzung. In der Silversternacht schließlich werden in den Außenvierteln von Strasbourg rund 60 Autos abgebrannt, 30 Bushaltestellen und 20 Telefonkabinen zerstört. In Strasbourg waren bereits im Vorjahr insgesamt 570 Autos angezündet worden.

Die Hintergründe dieser Ausbrüche sind bekannt: soziale Perspektivlosigkeit, Fehlen gesellschaftlicher Orientierungspunkte, Ghettoisierung. Zumeist ist der Staat in den Banlieus ausschließlich in seiner repressiven Funktion anwesend, und auch dies nur in Form von Strafexpeditionen, wenn der alltägliche Krieg eines jeden gegen jeden sich verschärft. Ansonsten werden Bevölkerungsgruppen, die man an den Rand der Gesellschaft schieben möchte, sich selbst überlassen.

Wer es sich leisten kann, zieht weg, wer da bleibt, wird unter Angabe seiner richtigen Adresse keinen "vernünftigen" Job finden.