Prediger, Pächter, Pogrome

Im August 1996 war es soweit: Mehrere hundert islamische Dorfbewohner von Kafr Demian überfielen andere, nicht islamische Dorfbewohner. Auf der Seite der Überfallenen, christliche Kopten, gab es mehrere Schwerverletzte, ihr Vieh wurde abgeschlachtet, die Ställe wurden abgebrannt. Die islamischen Landpächter vermuteten seinerzeit in den Christen die Besitzer des Landes, das von ihnen gepachtet und bewirtschaftet wurde. Um nicht von einem Pogrom sprechen zu müssen, wurde von allen Seiten ein "illegaler Kirchenbau" als Grund der "Ausschreitungen" angegeben.

Schon vorher war es und seitdem ist es in Ägypten erst recht immer wieder zu Übergriffen gegen "Ungläubige" gekommen - seien es Kopten, Atheisten, unverschleierte Frauen oder Juden. Vereinzelt gingen diese Attacken - mit Steinen, Säure, Gewehren und Bomben - von islamischen Landpächtern aus, meist jedoch von organisierten Islamisten aus den Terror-Organisationen Dschihad islami und Gama'a al-islamiya. Daß letztere Organisation einen Großteil ihrer Mitglieder aus den Reihen der Landpächter gewonnen hat, ist seit Jahren bekannt. Nicht zufällig wurde sie in einer der größten Agrarregionen Ägyptens, in Minja, gegründet und entwickelte sich von dort zu einer landesweiten Organisation. Gama'a wurde dabei über Jahrzehnte zum Teil aus dem Ausland, zum Teil von staatlichen und halbstaatlichen Stellen ausgerüstet und finanziert, was für alle Beteiligten funktional war: Für den Staat, um so die an den Universitäten und in einigen Kairoer Stadtvierteln stärker werdende Linke zu schwächen. Für Gama'a, um sich unter dem Schutz der auf islamischem Recht basierenden Verfassung ausbreiten zu können. Die islamischen Pächter profitierten von beiden Seiten: Günstige Pachten hier, Identität und Schutz durch die gut bewaffnete Islamisten-Organisation dort - soziale und religiöse Sicherheit, doppelt garantiert. Sehr praktisch, denn man weiß ja nie, wer die Auseinandersetzung letztlich gewinnt.

Zur Zeit sieht es so aus, als ob der ägyptische Staat vorne liegt: finanziell, militärisch und politisch. Die gemäßigten Islamisten distanzieren sich von "der Gehirnwäsche der Ultras" (Koranforscher Abu Zaid) und stützen - zumindest offiziell - die Staatsmacht. Diese hat ihnen im Gegenzug die Bereiche Kultur und Bildung kampflos überlassen. Was sich bemerkbar macht: Die Organisationen der Gemäßigten haben Zulauf wie nie zuvor. In den Städten von aus dem Staatsdienst freigesetzten Verwaltungsbeamten und Ingenieuren, auf dem Land von Bauern und deren Familien. Und in den Universitäten aus den Reihen ehemaliger Jama'a-Anhänger, die inzwischen begriffen haben, daß die Einnahmen aus dem Tourismus für die weitere Islamisierung wichtig sind.

Der Anschlag von Luxor war somit für die Gama'a dysfunktional. Neben zunehmender Repression hat er den militanten Islamisten vor allem einen Bedeutungsverlust gebracht, der in Zeiten von Bauernaufständen mehr als ungünstig kommt. Ihre traditionelle Anhängerschaft wendet sich denen zu, die das Gleiche - Islam, Nation und Judenhaß - wollen, es aber mit anderen Mitteln zu erreichen trachten: den Predigern der gemäßigten Islamisten, den nationalen Sozialisten, die aus dem Kleinbauerntum die ägyptische Gesellschaft erneuern wollen und den Nasseristen, die in Arafat "einen Mann Israels" sehen. Ihn einen "Judenknecht" zu nennen, trauen sie sich zur Zeit - öffentlich - noch nicht.