Minister schieben einheitlich

Die Konferenz der Innenressortchefs lehnt einen Abschiebestopp nach Algerien ab. Rot-grüne Landesregierungen fügen sich der Linie von Kanther

Wohlweislich hatte die rot-grüne Landesregierung in Wiesbaden die Abschiebung algerischer Flüchtlinge nur bis zum vergangenen Samstag ausgesetzt. Nicht, weil zu erwarten war, daß sich die menschenrechtliche Situation in Algerien nach diesem Termin schlagartig verbessern könnte, sondern, so Andrea Dobler, Sprecherin im hessischen Innenministerium gegenüber Jungle World, um eine "einheitliche, bundesweite Vorgehensweise" nicht zu gefährden. Angesichts der anhaltenden Berichte über Massaker und Menschenrechtsverletzungen in Algerien räumte sie zwar ein, "daß wir natürlich auch die Zeitungen lesen", doch seien allein die Lageberichte des Auswärtigen Amtes ausschlaggebend. Und die rechtfertigten eben keine Aussetzung der Abschiebungen in das nordafrikanische Land.

Endgültig auf Bonner Regierungskurs eingeschwenkt ist Hessen nun bei der am vergangenen Freitag zu Ende gegangenen Sitzung der Innenministerkonferenz (IMK) in Schwerin. Ebenso wie in den rot-grün regierten Ländern Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die eine "einstweilige Aussetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen" bereits im September beschlossen hatten, wird der Abschiebestopp nicht mehr verlängert. Zufrieden konnte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Armin Jäger der Presse mitteilen, daß die Länder, die vorsorglich keine Algerier mehr abgeschoben hatten, sich "nun an die geltende Rechtslage halten werden". Die Ablehnung des Abschiebestopps begründete Jäger damit, daß "rechtliche Voraussetzungen" fehlten. In Algerien gebe es keinen Bürgerkriegszustand, auch das "besonders grausame Vorgehen" der Islamischen Heilsfront FIS begründe noch kein Recht auf Asyl.

Mit ihrer Entscheidung stellt sich die Innenministerkonferenz sowohl gegen Lageeinschätzungen des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) als auch anderer internationaler Menschenrechtsorganisationen: Demnach sei ein Abschiebestopp die einzige Möglichkeit, bedrohte Algerierinnen und Algerier zu schützen. Ungeachtet dessen beharrt die IMK in ihrem Urteil auf der Rechtsprechung deutscher Gerichte. In schöner Regelmäßigkeit unterstellen diese, daß die Verfolgung nicht vom algerischen Staat ausgehe, sondern von islamistischen Gruppen. Diese Art der Verfolgung jedoch wird im Sinne des deutschen Asylrechts als nicht politisch begründet gewertet. So sank die Anerkennungsquote algerischer Asylsuchender in der BRD 1996 auf 1,2 Prozent. Lediglich 37 von 3 159 Antragstellern wurden anerkannt. Wer nicht nachweisen kann, daß er Verfolgung von staatlicher Seite ausgesetzt ist, fällt durch das rechtliche Raster.

Auch die im Ausländergesetz verankerte Möglichkeit, Abschiebungen auszusetzen, wenn im Heimatland eine "erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht", findet kaum Anwendung. Mit seiner Rechtsauslegung für solche Fälle verstößt das Bundesverwaltungsgericht selbst gegen Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Entgegen den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, so die Karlsruher Richter, sollte Asyl auch im Einzelfall nur dann gewährt werden, wenn die Verfolgung "von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation herrührt". Worauf die Innenminister der Länder gerne verweisen - die individuelle Prüfung im Einzelfall -, entpuppt sich als Ablenkungsmanöver: Gerade mal 21 Flüchtlingen wurde letztes Jahr dieser Schutz noch zuteil. Der Kreis schließt sich: Vom Auswärtigen Amt mit den entsprechenden Lageberichten gefüttert, führen die Verwaltungsgerichte mit ihren Urteilsbegründungen die asylrechtliche Linie der Bundesregierung aus. Was Bonn seinen BGS-Beamten seit Abschluß des deutsch-algerischen Rückführungsabkommens nicht mehr zuzumuten bereit ist - die Dienstreise in ein Bürgerkriegsland -, gilt für die Flüchtlinge selbst nicht. Laut jüngstem AA-Lagebericht sind "zurückgeführte Algerier keiner höheren Bedrohung ausgesetzt als andere, in ihrer Heimat verbliebene".