Um die SPD und ihren Vorsitzenden Martin Schulz steht es schlecht wie nie

Regieren ohne Zipfelmützen

Seite 2 – Die Unterstützung für Schuz ist in der SPD erheblich geschwunden

Dabei hatte er lediglich gesagt, Macron befürworte die Große Koalition. Ein Bad in der Menge sparte sich Schulz. Die Unterstützung für ihn ist in der SPD mittlerweile erheblich geschwunden, obwohl viele ihm die verlorene Wahl im September nicht angelastet hatten. Auch die deutlichen Worte, mit denen er sich zunächst gegen eine weitere Große Koalition ausgesprochen hatte, stießen in der Partei auf große Zustimmung. Dass die SPD-Führung nach dem Scheitern der Verhandlungen von Union, FDP und Grünen überhaupt Sondierungen mit CDU und CSU aufnahm, brachte Schulz bereits auf dem Parteitag im Dezember Ablehnung ein. Nur noch 81,9 Prozent der Delegierten wählten ihn als Vorsitzenden wieder.

Vor allem bei den Jusos entwickelte sich eine Strömung, die sich gegen eine neue Koalition mit CDU und CSU aussprach. »Ich habe darüber nachgedacht, alles in die Tonne zu treten«, sagte ein junger Delegierter in Bonn. Er sah entnervt aus.

Andrea Nahles, gelang es dann, mit ihrer Rede die ­Koalitionsverhandlungen anzupreisen: »Verhandeln, bis es auf der anderen Seite quietscht«, wolle sie – und erntete viel Applaus.

Angestrengte Blicke und hitzige Diskussionen gab es wiederholt auch in der großen Vorhalle des »World Conference Center«. Kleinere Funktionärsgruppen verschwanden immer wieder in Sitzungsräumen. Vor dem Zaun des kleinen Außenbereichs, in dem geraucht werden durfte, standen kurz vor Beginn des Parteitags ungefähr zehn Jusos. Sie hatten es nicht geschafft, sich als Gäste anzumelden; das Anmeldeformular soll nur kurze Zeit online zugänglich gewesen sein. Die jungen Leute halten Schilder mit der Aufschrift »#nogroko« in die Luft und tragen rote Zipfelmützen. Mit diesen wollen sie auf Alexander Dobrindt (CSU) anspielen, der von einem »Zwergenaufstand« in der SPD sprach. Durch den Zaun hindurch versuchen die Jusos, ihre Delegierten von einem »Nein« bei der Abstimmung zu überzeugen.

Gegner der Großen Koalition, die als Delegierte auf dem Parteitag waren, zeigten sich am Sonntagmittag vor der Abstimmung wenig optimistisch. In der großen Delegation aus Nordrhein-Westfalen hatte es eine Vorbesprechung gegeben, dort war die Ablehnung der Zustimmung gewichen. Zudem gab es einen neuen Leitantrag, der Bedingungen berücksichtigte, die die nordrhein-westfälischen und hessischen Landesverbände gestellt hatten; diese zeigten sich befriedigt mit der Zusage des Parteivorstands, sich gegen befristete Arbeitsverhältnisse einzusetzen und mit CDU und CSU in dieser Sache erneut zu verhandeln.

Die Rede des Parteivorsitzenden wurde im Gegensatz zu einigen Beiträgen von Gegnern der Großen Koalition nur mit geringem Applaus bedacht. Danach wurde die Stimmung gereizt, weitere Redner gingen die Kontrahenten des Vorsitzenden hart an. Die bayerische SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen rief Mitgliedern und Delegierten, die rote Zipfelmützen trugen, wütend zu: »Nehmt endlich diese Mützen ab!« Der Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, ­Andrea Nahles, gelang es dann, mit ihrer Rede die ­Koalitionsverhandlungen anzupreisen: »Verhandeln, bis es auf der anderen Seite quietscht«, wolle sie – und erntete viel Applaus. Über vier Stunden dauerte die Debatte über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

Viele junge Sozialdemokraten, insbesondere der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, überzeugten mit ihrer Argumentation gegen die Große Koalition. Am Ende befürworteten lediglich 56 Prozent der De­legierten die Koalitionsverhandlungen. Zudem stimmten in Bonn Berufs­politiker und hohe Funk­tionäre ab. Die Masse der Mitglieder, immerhin über 400 000, könnte die Frage einer weiteren Großen Koalition anders beurteilen; nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen soll es einen Mitgliederentscheid geben. Fest steht, dass Schulz als Parteivorsitzender schwer angeschlagen ist – ob er die Regierungszeit einer Großen Koalition überhaupt in diesem Amt überstehen wird, scheint durchaus fraglich.