Freitag, 01.03.2024 / 15:16 Uhr

Wahlen im Iran: Geringe Beteiligung erwartet

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Gastbeitrag von Redaktion Mena Watch

Wählerin im Iran, Bildquelle: Hamed Malekpour, Wikimedia Commons

 

 

Heute wird im Iran gewählt. Die Iraner interessiert das kaum mehr: 75 Prozent sprechen sich grundsätzlich gegen die Islamische Republik aus.

 

Heute finden im Iran Wahlen statt: Einerseits wird Parlament gewählt, andererseits über die Mitglieder des Expertenrats abgestimmt, dessen Hauptaufgaben in der weitgehend fiktiven Kontrolle der Amtsführung des geistlichen Führers des Landes sowie in der Wahl eines Nachfolgers bestehen, sollte dieser abtreten, nicht mehr zurechnungsfähig sein oder das Zeitliche segnen.

Wenn Sie von den Wahlen im Iran nichts mitbekommen haben, geht es Ihnen wie einem beträchtlichen Teil der iranischen Bevölkerung: Laut einer Umfrage von Anfang Februar wussten rund 38 Prozent nicht, dass am 1. März gewählt wird.

Auch wenn sich der Oberste geistliche Führer Ali Khamenei darum bemüht, den Wählern die Wichtigkeit einer Teilnahme an den Urnengängen zu erklären, weil sie damit ein Zeichen an die Feinde der Islamischen Republik senden würden, dürfte der Erfolg seiner Bemühungen überschaubar sein. Auch ein Großteil der Wähler sieht die Wahl als Stimmungstest, nicht für diesen oder jenen Kandidaten, sondern über die Islamische Republik an sich – und wird zu Hause bleiben.

Wahlbeteiligung im Sinkflug

Die Beteiligung an Wahlen nimmt im Iran seit geraumer Zeit ab und dürfte dieses Mal einen neuen Tiefpunkt erreichen. Das wird auch durch all die Maßnahmen nicht zu verhindern sein, mit denen das Regime die Beteiligung zu heben versucht, mehr oder minder offener Wahlbetrug inbegriffen. Einige Umfragen sprechen davon, dass in der Hauptstadt Teheran nur zwischen sechs und neun Prozent der Wähler ihre Stimmen abgeben werden, anderen Umfragen zufolge sollen es vielleicht fünfzehn Prozent sein. Landesweit wird mit einer Wahlbeteiligung von kaum mehr als fünfundzwanzig Prozent gerechnet, wenn überhaupt.

Auch wenn ausländische Beobachter manchmal immer noch so tun, als fänden im Land Wahlen statt, in denen tatsächlich über etwas Substanzielles entschieden würde, haben die iranischen Wähler das Spiegelspiel längst durchschaut, das ihnen als Wahlauseinandersetzung präsentiert wird. Alle Parteien und Kandidaten bekennen sich zur Islamischen Republik – täten sie es nicht, könnten sie überhaupt nicht antreten. Bei jeder Wahl wird die Zahl derjenigen größer, die vom Wächterrat disqualifiziert werden, zieht sich die politische Basis, auf der das Regime steht, weiter zusammen.

Hätten die Iraner die Möglichkeit, nicht bloß zwischen diesem oder jenem regimetreuen Kandidaten zu wählen, sondern über das Regime an sich zu entscheiden, so würden Umfragen zufolge sich knapp 75 Prozent der Iraner gegen das System der Islamischen Republik aussprechen. Mochten sie früher noch an Reformmöglichkeiten innerhalb des bestehenden Regimes geglaubt haben, so ist das spätestens seit der »Frauen, Leben, Freiheit«-Protestwelle infolge des Todes der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 in Händen der iranischen Sittenpolizei nicht mehr der Fall.

Ein alter anarchistischer Spruch lautet: »Würden Wahlen etwas ändern, wären sie verboten.« Nirgendwo stimmt dieser Spruch so sehr wie in der Islamischen Republik Iran. Die Iraner wissen das selbst am besten.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch