Montag, 13.06.2022 / 11:56 Uhr

MENA wie keine andere Region von steigenden Getreidepreisen bedroht

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In der FAZ erschien ein Artikel, der noch einmal dramatisch schildert, welche Auswirkungen der Ukraine Krieg auf die MENA haben wird:

Kein anderer Teil der Welt ist so abhängig von ukrainischem und russischem Weizen wie die sogenannte MENA-Region, also die Länder im Nahen Osten und Nordafrika, die sich aufgrund der trockenen Böden und Wasserknappheit kaum selbst versorgen können. Für die rund 450 Millionen Menschen dort ist Brot das wichtigste Grundnahrungsmittel. Der Weizen dafür kam in der Vergangenheit fast ausschließlich aus den beiden Ländern, die jetzt Krieg führen. So importierte etwa der Libanon zuletzt 67 Prozent seines Weizens aus der Ukraine, Tunesien rund die Hälfte. Zahlen der Datenbank UN Comtrade zufolge war Ägypten bislang der größte Abnehmer ukrainischen Weizens: Drei Millionen Tonnen importierte das Land im Jahr 2020 aus dem heutigen Kriegsgebiet. Insgesamt kamen 84 Prozent der ägyptischen Weizenimporte aus Russland und der Ukraine. Aber auch Indonesien und Bangladesch haben in der Vergangenheit viel Weizen in diesen beiden Ländern eingekauft. (...)

Weizen aus Russland und der Ukraine war stets billig und einfach zu bekommen. Anders als Deutschland können sich Länder wie der Jemen, Libanon oder Syrien höhere Preise und den qualitativ hochwertigeren Weizen aus der EU jedoch nicht leisten. Ihre Regierungen müssen mit einem knappen Budget zurechtkommen und davon zum Teil auch Lebensmittelsubventionen stemmen, die Millionen von Menschen vor dem Hunger bewahren. Denn all diesen Nationen ist gemein, dass ihre Bevölkerung schon vor dem Ukrainekrieg stark unterernährt war. Zahlen der Vereinten Nationen zufolge gingen 55 Millionen Menschen in der MENA-Region abends hungrig ins Bett. Viele von ihnen sind zum Überleben nicht nur auf die Brotsubventionen ihrer Regierungen, sondern auch auf die Unterstützung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) angewiesen – und das bezieht 50 Prozent seines Weizens aus der Ukraine. (...)

Lebensmittel haben in Nordafrika und dem Nahen Osten eine enorme politische Sprengkraft. So fielen die Spitzen des Lebensmittelpreisindex der vergangenen 30 Jahre stets mit politischen Unruhen zusammen. Dabei gibt es einen Zusammenhang zwischen politischer Instabilität und dem Ausmaß von Hunger in der Bevölkerung, die entsprechend sensibel auf höhere Lebensmittelpreise oder Rationierung reagiert. Im Jahr 2008 entlud sich die Wut der Bevölkerung über die damalige Lebensmittelkrise in Massenprotesten in über 60 Ländern, die im Arabischen Frühling von 2011/2012 gipfelten. Die Entwicklungen von damals und heute weisen viele Parallelen auf, etwa den Protektionismus im Handel mit Agrargütern und die hohe Inflation. Im April erreichte sie in Ägypten 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. „Die Inflation in Ägypten galoppiert, vor allem für Lebensmittel. Brot, Mehl, Fleisch… alles”, sagt Forscherin Amirah El-Haddad. Die Regierung habe sich vier Milliarden Dollar von Saudi-Arabien geliehen, um den Anstieg der Preise abzufedern. Es sei unklar, ob Saudi-Arabien auch in Zukunft helfen werde und auch auf dem internationalen Finanzmarkt komme das Land nach einer jüngsten Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit nur noch schwer an finanzielle Mittel.