Samstag, 28.08.2021 / 13:13 Uhr

Brief aus Panjshir: Wir ergeben uns nicht

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Im unwegsamen Panjshir Tal nördlich von Kabul organisiert sich nicht nur Widerstand gegen die Taliban, sondern dort sitzt, der gültigen afghanischen Verfassung zufolge, auch die legitime Regierung. Denn Vizepräsident Amrullah Saleh ist, anders als sein Vorgesetzter, nicht außer Landes geflohen.

Zusammen mit Ahmed Massoud versucht aus Panjshir Milizen und Soldaten zu reorganisieren. Dies hat nicht eine symbolische und militärische Bedeutung, sondern ist politisch auch deshalb relevant, weil es einigen, die dies zu gerne jetzt tun würden, Probleme bereitet, die Taliban als neue Regierung anzuerkennen. In afghanischen Botschaften, zum Beispiel in Tadschikistan, erklärte man Saleh seine Treue. Auch Indien, das im Vormarsch der Taliban einen Sieg seines Erzfeindes Pakistan sieht, dürfte Panjshir unterstützen.

Und da dieser Widerstand momentan die einzige Alternative zu den Taliban in Afghanistan ist, dürfte es eigentlich nicht schwerfallen, ihm Unterstützung, welcher Art auch immer, zukommen zu lassen.

Dem Spiegel hat Saleh nun einen Brief geschrieben, in dem er die Lage aus seiner Sicht darstellt:

Die Vereinigten Staaten und die Nato hätten die Kosten, die auf ein Minimum gesunken waren, problemlos tragen und die Anwesenheit der 2500 Soldaten im Land aufrechterhalten können. Das haben sie nicht getan. Jetzt bezahlen sie den Preis dafür mit ihrer Glaubwürdigkeit und dem Verlust ihres weltweiten Ansehens. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Tragweite wirklich verstehen.

 

Es gibt jedoch noch immer eine Lösung: Drohen Sie Pakistan mit konkreten Sanktionen, fordern Sie eine politische Lösung. Erkennen Sie die legitime Herrschaft des nationalen Widerstands in Pandschir an und bieten Sie diesem Ihre moralische und politische Unterstützung an.

Für uns geht es nicht um die Anzahl von Truppen und Kämpfern. Es geht um unseren politischen Willen, unsere Entschlossenheit und die Akzeptanz unserer eigenen Legende und Geschichte. Wir sind hier, um die Werte und die Würde der afghanischen Menschen zu verteidigen, um für das Recht von Mädchen und Frauen zu kämpfen, damit sie sie selbst sein können und nicht nur ein identitätsloser Schatten von Männern. Wir sind hier, um den afghanischen Pluralismus und die Vielfalt zu verteidigen. Wir sind am Hindukusch, im Pandschir, aber wir führen einen Kampf für ganz Afghanistan.