Sonntag, 12.01.2020 / 09:19 Uhr

Abschüsse von Flugzeugen als Propagandakrieg

Von
Gastbeitrag von Manuel Störmer

Das iranische Verhalten beim Abschuss des Passagierflugzeuges 752 in Teheran steht in einer langen Tradition diktatorischer Regierungen

 

f

(An der Absturzstelle, Quelle: Farsnews)

 

Das iranische Regime stritt bis zum Morgen des 11. Januar alles ab. Dass es Beweise gebe, dass die ukrainische Passagiermaschine, die in Teheran am 8. Januar kurz nach Abheben abgestürzt war, von Raketen getroffen worden war. Es stritt auch vehement ab, dass iranische Stellen das Flugzeug abgeschossen hatten. Dies seien ausländische Verschwörungstheorien gegen das Land, das Flugzeug habe einen technischen Defekt gehabt und sei deshalb abgestürzt.

Die Beweise, die dazu herangezogen wurden, waren jedoch zu erdrückend, es gab Videoaufnahmen der Raketen mitsamt Einschlagsgeräuschen, die Black Box hatte übermittelt, dass bis zum Abheben absolut alles in bester Ordnung war, und die Bilder der Wrackteile zeigten Löcher, die auf einen Abschuss hindeuteten. Als ukrainische Inspekteure am 10. Januar die Black Box untersuchten, waren die Beweise wohl zu erdrückend, obwohl der Einsatz von Bulldozern am Absturzort womöglich Beweise vernichten sollte.

Schuldige gefunden

Anstatt den Abschuss also abzustreiten, begann die islamische Republik Iran nun mit einer Veränderung der Strategie: Jetzt war es maßgeblich die Schuld der USA, dass iranische Stellen das Flugzeug versehentlich abgeschossen hatten, denn der sich zuspitzende Konflikt habe dazu geführt, dass man vermehrt Fehler gemacht habe und Flugzeuge als Militärflugzeuge missverstehen konnte.

Ein Grund bei dem Zugeben könnte auch der sein, dass das iranische Regime seit 30 Jahren den versehentlichen Abschuss von Passagierflug 655 im persischen Golf im Jahr 1988 durch die USA, infolgedessen 290 Menschen, 254 davon iranischer Nationalität, für die eigene antiamerikanische Propaganda einsetzt. Die USA hatte den Abschuss relativ bald zugegeben und bedauert und 1996 auch Kompensationszahlungen zugestimmt, dennoch wurde der Vorfall bis zuletzt massiv dazu benutzt, den USA Bösartigkeit zu unterstellen. Die damals genutzten Worte reichten von „Greuelverbrechen“ über „Massaker“ über einen „kriminellen Akt“ bis hin zu einem „offenen Angriff der USA“. Der Iran, der die UN damals boykottierte, weil es für einen Waffenstillstand im Iran-Irakkrieg eintrat, den die Iraner siegreich fortführen wollten, verlangte sogar, eine Resolution zu verabschieden, die der USA vorwarf, das Passagierflugzeug absichtlich abgeschossen zu haben.

Ein Kontrast zur kanadischen Reaktion (dem Land mit den meisten Opfern) heute, der größer nicht sein könnte.

Die meisten Opfer waren Iraner

Die meisten der Opfer des aktuellen Fluges von Teheran waren nun ebenfalls Iraner bzw. Ausländer iranischer Herkunft. Wenn das Regime sich also ewig darin ergangen hätte, die Tat abzustreiten, hätte das seinem Ansehen gerade in Bezug auf den Vergleich zur propagandistisch ausgeschlachteten 655-Passagiermaschine in der Bevölkerung massiv geschadet. Die drei Tage Lügen macht Iraner bereits jetzt außerordentlich wütend. Proteste haben begonnen und das Regime versucht, die Angehörigen der Opfer daran zu hindern, zu Märtyrern der Proteste zu werden.

Verschleiern gehört  zum guten Ton

In Diktaturen gehört Intransparenz der Mächtigen sowie die systematische Verschleierung von eigenen Verbrechen und Fehlern zum Alltagsgeschäft. Staatliche Propaganda dient nur diesem einzigen Zweck: Der Bevölkerung das Gefühl zu geben, dass das Regime und dessen Vertreter trotz deren Verbrechen und Ineffizienz darin, den Bedürfnissen der Bevölkerung zu genügen, legitim ist. Damit sichert es die korrupten Geschäfte und den Machterhalt der diktatorischen Eliten. Daher ist es kein Wunder, dass besonders folgenreiche Fehler wie die von versehentlichen Abschüssen von Passagierflugzeugen traditionell systematisch verschleiert werden, auch international, um die mächtigen Figuren innerhalb des Regimes vor Kritik zu schützen.

Iran kein Einzelfall

Das iranische Regime ist jedoch nicht das einzige Regime, das einen versehentlichen Abschuss eines Passagierflugzeuges abzustreiten versucht und mit Verschwörungstheorien hantiert. Auch Russland hat mit dem Flug MH17 über der Ostukraine nachweislich Blut an dessen Händen, hat es aber besser als die iranische Seite geschafft, die eigene Schuld durch die Streuung absurder unterschiedlicher Verschwörungstheorien systematisch zu verschleiern, auch mithilfe der AfD und anderer rechtsextremer prorussischer Gruppierungen.

 

f

(Gedenken der Opfer von Flug MH17 in Amsterdam, Quelle: Wikipedia)

 

Eine der Verschwörungstheorien besagte auch, dass Israel das Flugzeug abgeschossen hätte. Das Regime verschleierte, weil der Abschuss beweist, dass Russland den Separatisten in der Ostukraine russische Waffen lieferte und aktiv diese unterstützte, etwas, was die staatsnahe Propaganda bis heute leugnet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die russische Propaganda bis zuletzt der iranischen Propaganda folgte und Verschwörungstheorien über die westlichen Staaten und dessen Geheimdienstinformationen streute. So zitiert der russische Auslandspropagandakanal Russia Today ungenannte „Kritiker“, die sagen würden, dass der US-Außenminister bewusst lüge.

Dass der Iran die eigene Schuld jetzt zumindest teilweise zugibt, ist insofern nicht nur ein Schaden für das iranische Regime, sondern hat auch Auswirkungen auf den Diktator Russlands, der mit dem Iran gute Beziehungen unterhält und in Syrien auf der Seite der proiranischen Kräfte und Assads militärisch eingegriffen hat.

Propaganda muss funktionieren

Man darf nie unterschätzen, wie wichtig eine funktionierende Propaganda für den Erhalt eines Regimes ist. Wenn die Propaganda nicht mehr funktioniert, wackeln bisweilen Regime. Russlands Propaganda hat Putins Krieg in der Ukraine verschleiern können und die Putindiktatur sogar stabilisiert. Die iranischen Machteliten jedoch sollten sich vorsehen, denn ihre eigene Propaganda, die sie 1988 noch gegen die USA eingesetzt hatten, fällt ihnen nun selbst auf die Füße.

Man nannte den unabsichtlichen Abschuss des Fluges 655 durch die USA ein Massaker und ein Verbrechen. Die Iraner, die jetzt auf die Straßen gehen, nehmen sie beim Wort.