Montag, 26.10.2020 / 12:37 Uhr

Das Ende ist nah

Von
AM
Trüber Himmel über dem Stadion am Wasserturm des Reichenbacher FC

Trüber Himmel über dem Stadion am Wasserturm des Reichenbacher FC

Bild:
instagram.com/picke.graetsche.aus

Die BSG Chemie Leipzig auf Tour durch die sächsische Provinz

Bevor es in die nächste englische Woche gegen Germania Halberstadt auswärts und dann gegen den Chemnitzer FC daheim geht, gibt es aus Perspektive eines Leutzschers einiges nachholend zu berichten. Zunächst standen zwei Reisen ins beschauliche Vogtland, Hochburg der Nazikleinpartei „Der III. Weg” an. Zuerst ging es nach Reichenbach zum dortigen FC, da Chemie Leipzig in der dritten Runde des Sachsenpokals den lokalen Fußballclub zugelost bekam. Einige hundert Fans machten sich auf den Weg in die vogtländische Provinz, durchfuhren dabei das nicht enden wollende Dynamo-Land, welches übergeht ins das von den Fans des FSV Zwickau beanspruchte Fleckchen Erde (die Graffiti an den Autobahnbrücken gaben Auskunft, wo man sich gerade ungefähr befand) um dann letztlich im vom Wismut beheimatetet Endlager kurz abzubiegen und schließlich bei trübem Himmel anzukommen im Stadion am Wasserturm.

Für den angereisten Anhang gab es eine souveräne Betriebssportgemeinschaft zu sehen, die den Fünftligisten mit 4:0 beinahe deklassierte. Dennoch mochte keine wirkliche Stimmung aufkommen. Es mag zum einen daran gelegen haben, dass man hier als Favorit antrat, und das Spiel einigermaßen locker nahm. Zum anderen aber fehlt doch zunehmend der organisierte Support, der aufgrund der Pandemie vernünftigerweise weiterhin ausgesetzt ist. So gab es nur einen konstruktiven Meinungsaustausch sowie das Rüberreichen von Getränken und Speisen am Bauzaun mit den örtlichen Wikingern, die man vom Aussehen her auch der lokalen Kleinstpartei her zuordnen könnte. Wie sehr die sich für Fußball interessierten, war nicht genau auszumachen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang war nur der Trommler auf der Heimseite, der auf seinem Instrument einen riesigen Sticker des Dynamo-Landes kleben hatte. Durch jenes fuhr man dann auch wieder zurück.

Im Landespokal geht es für Chemie weiter mit einem Spiel gegen den Drittligisten FSV Zwickau. Sicherlich ein schweres Los für die Leutzscher. Dass es auch bei diesem Spiel keinen wirklichen Support geben dürfte, wird wieder sehr schmerzen. Denn die Zwickauer Ultras sind die kleinen Freunde von Ultras Dynamo, eine nicht zu unterschätzende Macht im ostdeutschen Fußball.

Aber erst einmal ging es, in der Regionalliga-Meisterschaft, wieder zurück ins beschauliche Vogtland, diesmal nach Auerbach. Die Anfahrt durch feindliche Fußballländer endete diesmal in der nicht minder beschaulichen Arena zur Vogtlandweide, die ausgestattet ist mit einer grotesk großen digitalen Anzeigetafel.

Grotesk war auch das Hygienekonzept der Auerbacher. Während die ChemikerInnen selbstverständlich alle Masken trugen, ging es beim Eingang durch ein schmales Tor und beim Catering gab es keinerlei Sicherheitsabstände. Riskant sah auch die Tribüne aus, die für die Auswärtsfans gebaut wurde: Auf der würde man lieber nicht zu sehr aktiv supporten.

Was mich dazu bringt, dass es derzeit ja nicht nur utopischste Regionalliga aller Zeiten ist, in der Chemie spielt, sondern die Mannschaft aus Leutzsch dermaßen utopisch spielt, wie schon lange nicht mehr. Was normalerweise auf den Rängen los wäre, angesichts der Resultate und der Leistung der Mannschaft, auch wenn sie mal verliert, kann man sich kaum ausmalen. Derzeit ist alles sehr verhalten, was selbstverständlich ist, aber einen doch ab und zu traurig und wehmütig zurücklässt...

Begegnungen, in denen man vergangene Saison noch unentschieden spielte, werden in dieser Spielzeit gewonnen. Wie zum Beispiel gegen die Schiebocker aus Bischofswerda. Denn gegen die ging es nach den Vogtlandreisen im Alfred-Kunze-Sportpark. Die überall ansteigenden Corona-Zahlen hatten zur Folge, dass die Zuschauerzahl wieder auf unter 1.000 reduziert werden musste. 999 Fans beim Heimspiel gegen den Bischofswerdaer FV erhielten Zutritt ins Stadion. Der Norddamm blieb geschlossen, zugänglich waren nur der Dammsitz und der Familienblock.

Gab es vergangene Saison noch ein torloses Unentschieden gegen die Ostsachsen, gewann Chemie diesmal sage und schreibe 5:1. Der Neuzugang Morgan Fassbender erzielte einen lupenreinen Hattrick, rechts, links und mit dem Kopf. Innenverteidiger Buram Halili, letzte Saison aus der Konkursmasse von Erfurt geholt, hatte zum 1:0 getroffen. Man of the Match war aber Florian Kirstein, und das obwohl er das Tor nicht traf. Der Mittelstürmer hat in der gesamten Saison das Tor noch nicht getroffen, und trotzdem ist er eine der tragenden Säule des Teams. Mit seinem selbstlosen Spiel setzt er immer wieder seine Kollegen in Szene.

Angesichts der steigenden Pandemiezahlen lässt sich derzeit als Fan nur von Spiel zu Spiel planen. Wenn man sich ehrlich macht, dann ist das Ende ziemlich nah. Wenn die Kurve nicht bald „flach gemacht“ wird, werden wohl bald keine Fans mehr ins Stadion gelassen. Für das Spiel gegen Halberstadt sind noch Auswärtsfans zugelassen, gegen den Chemnitzer FC nach derzeitigem Stand nur 999 Heimfans. Mal schauen, was uns die englische Woche bringt. Sportlich ist aber eines klar: Wir haben eine Mannschaft.