Beiträge von claudia basrawi und mario mentrup

1998/02 dschungel

Slacking am Kotti

Die Probleme von Erol, Leyla und Ahmed im No-Problem-Film von Thomas Arslan: "Geschwister - Kardesler"

"Geschwister - Kardesler" führt in die Slackerszene am Kottbusser Tor. Hauptfiguren von Thomas Arslans Spielfilm sind Erol, Leyla und Ahmed. Ihr Alltag, ihre Konflikte in Schule oder Job, ihre Auseinandersetzungen mit Eltern und Verwandten werden gezeigt. Alle aus einer türkischen Familie stammend, gehen sie doch mit ihren Schwierigkeiten ganz unterschiedlich um. Ahmed und Leyla entscheiden sich, in Deutschland zu bleiben; Erol dagegen wird in die Türkei zum Militär gehen. Er glaubt, er habe keine andere Wahl. Nach dem Schulabbruch ist sein Leben durcheinandergeraten: Mit kleinen Gaunereien und Hehlereien schlägt er sich durch und bekommt Probleme, sowohl mit der Szene als auch mit der Polizei.

Ahmed hingegen versucht sich von der Straßenszene zu distanzieren und will das Abitur machen. Dies führt zu Konflikten mit seinem Bruder. Layla entflieht der Enge des Familienkreises und verbringt die meiste Zeit mit ihrer Freundin Sevim, mit der sie am liebsten eine Wohnung teilen möchte. Der dialoglastige Film läßt dem Zuschauer die nötige Zeit, die Geschwister, die Eltern und Bekannten in ihrem Alltag zu beobachten. Und der hat, bei allen Schwierigkeiten, mit denen die Figuren zu kämpfen haben, oft ausgesprochen komische Seiten.

Obwohl Arslan Berliner Jugendliche porträtiert, die einer sogenannten Minderheit angehören, hat "Geschwister - Kardesler" nichts mit den Problemfilmen der sozialdemokratischen Epoche zu tun. Anstatt den Pädagogen zu markieren, läßt sich der Filmemacher auf die Probleme seiner Protagonisten ein. An die Stelle mühsamen Erzählens setzt der Film Leichtigkeit und unprätentiöse Skizze. Hauptdrehort ist der Slacker-Treffpunkt am Kottbusser Tor, in Berlin-Kreuzberg. Arslan läßt sein Publikum an den Vorzügen des lockeren Lebens, des Abhängens und Umherschweifens, teilhaben.

"Geschwister - Kardesler" wurde sowohl von der Kritik als auch von den Zuschauern sehr positiv aufgenommen. Für Thomas Arslan, den Regisseur und Drehbuchautor, war dies nach "Mach die Musik leiser" (1994) der zweite längere Spielfilm.

Tamer Yigit (Erol) spielt auch in Arslans nächstem Film "Dealer" die Hauptrolle, er ist Gitarrist und Songschreiber der Punkrock-Band Hasret, Savas Yurderi (Ahmed) ist der Rapper JUKS und produzierte mit DJ Hype die Musik zum Film, und Serpil Turhan (Leyla) spielte in der Fake-Dokumentation "36qm Stoff" von Neco Celik eine weitere Hauptrolle.