Auszug aus dem Buch über Punkrock in der DDR

Tanz den Kommunismus

Nach intensiver Wühltätigkeit in der eigenen Vergangenheit und der vieler ehemaliger Aktivisten sowie nach Gesprächen mit Ex-Punks und Noch-Punks, aber auch mit Sympathisanten und Freischärlern zeichnet Henryk Gericke ein Kaleidoskop des Punkrock in der DDR in den Jahren 1980 bis 1989. Ein Auszug aus der Einleitung des Buchs »Tanz den Kommunismus. Punkrock DDR 1980 bis 1989« sowie des Porträts der Band Rosa Extra.
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Ob vor oder hinter dem Eisernen Vorhang; auf der Dekadenschwelle von den siebziger zu den achtziger Jahren öffnete sich eine Tür. Sie bot keinen Einlass, sondern den Ausstieg aus Gesellschaftsformen, die systemüberlappend vom Kalten Krieg gezeichnet waren. Ging man durch diese Tür, war einem keine leuchtende Zukunft verheißen, doch man war immerhin frei von Zukunftsangst. Das »No Future« der Punks war insofern kein Angstschrei, sondern eine Unabhängigkeitserklärung. Punk zu sein, bedeutete, frei zu sein, auf dem schmalen Grat zwischen Selbsterhaltungstrieb und kompletter Entgrenzung rannten die Punks Schranken ein und tobten über tradierte Demarkationslinien hinaus. Und selbst an Zeitgrenzen oder an geopolitischen Frontziehungen zwischen Atlantischem Bündnis und Warschauer Pakt machte Punkrock nicht halt.

Innerhalb der Systemkoordinaten von West oder Ost entfaltete er sich allerdings unter lokal und national differenten Bedingungen. In New York war Punk zunächst eine künstlerische Bewegung, die letztlich auch aus der Pop Art hervorging, das Umfeld von Andy Warhols Factory war amerikanischer Protopunk. In London, überhaupt in Großbritannien, war Punk vor allem Rock und an eine noch aus dem Zweiten Weltkrieg resultierende soziale Erosion der gesellschaftlichen Fundamente gekoppelt. In den West-Sektoren Deutschlands fand der Drei-Akkorde-Existentialismus wiederum als experimentelle Spielart in Westberlin, als typenoffene Variante in Düsseldorf und als proletarisch-politische Haltung in Hamburg statt.

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