Gilt im Untergrund wie im Journalismus: Bloß keinen Fehler machen!

Homestory #10/24

Fehlerkultur ist in einem modernen Unternehmen extrem wichtig. Gekündigt oder bestraft wurde bei der »Jungle World« noch niemand - jedenfalls nicht wegen Schusseligkeiten.
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Alte Regel im Untergrund wie im Journalismus: bloß keinen Fehler machen! Irgendwas übersieht man im Eifer des Gefechts dann aber doch immer, Namen werden verhunzt, Zahlen verdreht, Pseudonyme gelüftet; es wird nicht korrekt zitiert, man verlegt Kriege in ein unpassendes Jahrhundert, verschiebt Politiker in die falsche Partei, schreibt Regisseuren Filme zu, die ein ganz anderer gedreht hat.

Eigentlich bekommt das aber nie einer mit, denn ein dreistufiges System aus Redaktion, CvD und Lektorat killt zuverlässig die peinlichsten Fehler. Auch die kniffeligen, die, die nicht ganz so offensichtlich sind wie ein falscher Kasus, werden letztinstanzlich im Lektorat liquidiert. Gut, wenn man eines hat, das tut, was es tun soll.

Als der damalige Zeit-Feuilletonchef Fritz J. Raddatz 1985 darüber schrieb, wie Goethe im Frankfurter Bahnhof das Einfahren der ­Lokomotiven beobachtete, kostete ihn dieser Fehler Job und Ruf.

Als der damalige Zeit-Feuilletonchef Fritz J. Raddatz 1985 darüber schrieb, wie Goethe im Frankfurter Bahnhof das Einfahren der ­Lokomotiven beobachtete, kostete ihn dieser Fehler Job und Ruf. Denn Goethe war doch schon ein paar Jahre tot, als überhaupt die erste Eisenbahnstrecke in Deutschland eingeweiht wurde! Riesenwirbel – wie blöd … , wie kann der nur … weiß doch jeder.

Tja, der Text, von dem Raddatz abgeschrieben hatte, war eine satirische Glosse, in der ein fiktiver Goethe Dinge tun durfte, die er zu Lebzeiten gar nicht tun konnte. Auch den Lektoren der Zeit war nichts aufgefallen, vielleicht hatten sie aber einfach nur frei.

Man vergleiche: Ärgerlichster Fehler eines langjährigen Jungle World-Lektors: »Kroation« statt »Kroatien« auf der Titelseite. Für notwendige Berichtigungen gibt es dann auch noch die Rubrik »Kreuzworträtsel«, in der Fehler gebeichtet und ausgebügelt werden.

Gekündigt oder bestraft wurde bei uns aber noch niemand, jedenfalls nicht wegen Schusseligkeiten. Auch nicht die Kollegin aus dem Layout, die bei ihrem ersten Einsatz sämtliche Angaben zu Ausgabennummer und Datum von der Titelseite wischte. »Es war mir wahnsinnig peinlich.«

Die Sache mit der Zeit ist im Journalismus ohnehin tricky, was nichts mit der Relativitätstheorie zu tun hat, sondern mit der Zeit, die zwischen Niederschrift und Druck eines Artikels vergeht. Die schönste Berichtigung in unserer Rubrik Kreuzworträtsel zeugt von diesem Problem. Die Berichtigung erschien 2009 unter dem Titel »Gestern ist heute« und liest sich so: »Heute stimmt der Satz. Morgen auch noch, und übermorgen auch. Aber vor einer Woche, da war er etwas voreilig: ›Am Sonntag beginnt der G8-Gipfel in Evian.‹ Nächste Woche wird der Satz wieder falsch sein.« So ist es!