»Wir bauen ein digitales Denkmal«
Was ist das Ziel Ihrer Kampagne?
In erster Linie geht es darum, Zugang zu schaffen. Das ist der Gedanke von Open Data: Die Dokumente sind nicht nur für Wissenschaftler:innen wichtig, sondern jeder sollte sich ein Bild von dem menschenverachtenden System der Nazis machen können. Da wir sehr viele Dokumente haben, verfolgen wir unterschiedliche Wege, die Informationen auf den Dokumenten in eine Datenbank zu bringen – unter anderem mit unserer Kampagne. Letztlich bauen wir ein digitales Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus.
»Unsere Kampagne bietet die Möglichkeit, sehr niedrigschwellig Originaldokumente anzuschauen.«
Um was für Dokumente geht es bei der derzeit laufenden Aktionswoche?
Im Grunde läuft unsere Kampagne permanent, und wir suchen jederzeit nach Freiwilligen, die mithelfen wollen. Für die diesjährige Aktionswoche haben wir uns 30.000 Dokumente aus der 500.000 Dokumente umfassenden »Auswandererkartei« in Bremen ausgesucht. Von Bremen und Bremerhaven sind sehr viele Menschen ausgereist, deswegen gibt es dort eine große Kartei, die dokumentiert, wer den Terror überlebt hat. Es geht hier um Menschen mit dem Status als displaced person, also um jene, die aufgrund der Nazi-Verfolgung ihren Wohnort verloren hatten und nicht mehr dorthin zurückkehren konnten. Sie durften nach Kriegsende in andere Länder emigrieren, vornehmlich in die USA, nach Südamerika oder Australien.
Im Zuge der Kampagne übertragen Freiwillige den Inhalt der Dokumente per Hand in eine digitale Datenbank. Werden diese Eingaben dann auch überprüft?
Jedes Dokument wird von je drei Freiwilligen erfasst. Wenn zwei identische Informationsübertragungen vorhanden sind, geht das Dokument als gesichert bei uns in die Datenbank ein. Wenn es drei unterschiedliche Übertragungen gibt, kommt es in die interne Qualitätsanalyse. Das betrifft nur etwa zehn Prozent aller Dokumente – die »Crowd« macht also eine hervorragende Arbeit.
Was für Herausforderungen gibt es bei dieser Arbeit?
Bei den Dokumenten der diesjährigen Aktionswoche handelt es sich um Dokumente aus der Nachkriegszeit, aber oft sind es auch Täterdokumente. Diese sind häufig von den Nazis ausgefüllt worden oder von Opfern, die gezwungen wurden, sie auszufüllen. Man kann oft nicht davon ausgehen, dass ein Name auch wirklich so geschrieben wurde, wie er da steht – das betrifft nicht selten die aus der kyrillischen Schrift übersetzten Namen von den aus Osteuropa erfassten Menschen.
Wer nimmt an der Kampagne teil?
Unsere Kampagnenseite ist frei online verfügbar, daher können wir nicht genau überprüfen, wer alles mitmacht. Wir erhalten aber zum Beispiel viele Rückmeldungen von Schulklassen. Unsere Kampagne bietet die Möglichkeit, sehr niedrigschwellig Originaldokumente anzuschauen. Man braucht kein Vorwissen, man kann einfach auf die Website gehen und die Daten von ein paar Dokumenten erfassen. Neben Privatpersonen sind es auch Unternehmen, die zum Beispiel im Rahmen der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung ihren Angestellten innerhalb der Arbeitszeit dafür Arbeitsstunden zur Verfügung stellen.