Navid Kermani und Natan Sznaider streiten über den israelisch-palästinensischen Konflikt

Existentielle Fragen

Treffen sich zwei deutschsprachige Intellektuelle zu einem Spaziergang... entsteht kein Witz, sondern ein Band über den Nahostkoflikt.
Buchkritik Von

Während im Frühjahr 2002 die Selbstmordanschläge der Zweiten Intifada den Alltag Israels erschüttern, treffen sich zwei deutschsprachige Intellektuelle zu einem Spaziergang durch Haifa. Der sich anschließende Mailwechsel zwischen dem Autor und Islamwissenschaftler Navid Kermani und dem Soziologen Natan Sznaider, jüngst erschienen im Hanser-Verlag, verrät viel über die Beständigkeit linker ­Israel-Debatten. Thematisch kreisen die E-Mails meist um die Frage, wo die Ursachen der damals alltäglichen Attentate zu ver­orten sind.

Immerhin scheint bei Kermani eine gewisse Einsicht eingesetzt zu haben.

Denn für Kermani steht zu diesem Zeitpunkt fest: Einzig die Besatzung des Gaza-Streifens und des Westjordanlands steht dem Frieden im Weg. Nach einem Treffen mit einem Berater Ariel Sharons gibt er etwa zu Protokoll, er hätte »nach einer halben Stunde am liebsten in Den Haag angerufen« und beklagt, »der Westen unterstützt nun einmal hauptsächlich die Terroristen der einen Seite«, bevor er Ariel Sharon – der zwei Jahre später den Abzug Israels aus Gaza anordnen wird – auf eine Stufe mit dem Hamas-Chefideologen Sheikh Yassin stellt. Umso beeindruckender ist Sznaiders Geduld, wenn er den Touristen Kermani sensibilisieren möchte für die Verzweiflung der israelischen Linken oder die prekäre Lage der Juden in Deutschland und den strikt moralischen Argumenten Kermanis politische entgegensetzt.

Ein gemeinsames Vorwort reflektiert diese Kontinuität vor dem Hintergrund des Massakers am 7. Oktober. Immerhin scheint bei Kermani eine gewisse Einsicht eingesetzt zu haben. So distanziert er sich vom Begriff des »Unrechtsstaates«, den er einst in einer Mail zur Staatsgründung Israels verwendet hatte, und bekennt sich zum unveräußerlichen Existenzrecht Israels. Ein Kommentar ­Sznaiders erweist sich hingegen als prophetisch: »Die eigentliche Tragödie ist die Fehleinschätzung der Palästinenser, die andere Seite ›weichklopfen‹ zu können.«


Buchcover

Navid Kermani, Natan Sznaider: Israel. Eine ­Korrespondenz. Carl-Hanser-Verlag, München. 63 Seiten, 10 Euro