Die antiamerikanische Partei Smer gewinnt Parlamentswahl in der Slowakei

Ficos vierte Amtszeit droht

Aus den Parlamentswahlen in der Slowakei ist die populistische Partei Smer des umstrittenen ehemaligen Ministerpräsidenten Robert Fico als Gewinner hervorgegangen. Das hat auch Auswirkungen auf die Ukraine.

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in der Slowakei am 30. September erhielt die populistische prorussische Partei Smer – slovenská sociálna demokracia (Richtung – slowakische Sozialdemokratie) unter der Führung des dreifachen früheren Ministerpräsidenten Robert Fico (2006–2010, 2012–2018) mit rund 23 Prozent die meisten Stimmen. Darauf folgte die linksliberale Progresívne Slovensko (PS, Fortschrittliche Slowakei) mit knapp 18 Prozent. Die beiden rechtsextremen Parteien Hnutie Republika (Republik-Bewegung, ein Ableger der neofaschistischen Kotlebovci) und Sme rodina (Wir sind eine Familie) schafften es nicht über die Fünfprozenthürde.

Es blieb bis zum Ende spannend: Die ersten Nachrichten in der Wahlnacht verkündeten, basierend auf Nachwahlbefragungen, PS habe Smer entgegen den Prognosen überholt und werde den Sieg davontragen. Auch die allerletzten Umfragen knapp vor der Wahl hatten noch einen Vorsprung der Linksliberalen vor den Populisten festgestellt – doch das Blatt wendete sich innerhalb weniger Stunden.

Die Wahl hatte internationales Interesse auf sich gezogen, denn eine Rückkehr Ficos als Ministerpräsident würde sich auf den Kurs des Landes in Sachen Unterstützung der Ukraine auswirken. In der EU herrschte diesbezüglich bisher mit Ausnahme Ungarns weitgehend Einigkeit. Fico hatte Wahlkampf damit gemacht, die militärische Unterstützung der Slowakei für die Ukraine komplett beenden – »keine einzige Pa­trone« – und gegen die Russland-Sank­tionen vorgehen zu wollen; im Fall eines Beitrittsantrags der Ukraine an die Nato kündigte Fico ein Veto an.

Der Krieg im Nachbarland sei, so Fico, nicht etwa von Russland, sondern 2014 von »ukrainischen Faschisten« begonnen worden. Eine zweifellos falsche Ansicht, die in dem wirtschaftlich wie politisch angeschlagenen Land aber durchaus breite Unterstützung findet: Wie der in Bratislava ansässige Think Tank Globsec in seinem letzten Bericht ermittelte, stimmen 66 Prozent der Slowak:innen der Falschaussage zu, dass die »USA die Slowakei in einen Krieg mit Russland hineinziehen, weil sie davon profitieren«. Gleichzeitig befindet sich das Vertrauen der Bür­ger:in­nen in staatliche Institutionen an einem Tiefpunkt, was den perfekten Nährboden für Desinformationskampagnen bietet. So war Fico während der Covid-19-Pandemie erfolgreich auf Stimmenfang bei Masken- und Impfgegnern gegangen.

Noch bleibt abzuwarten, ob es Fico gelingt, eine Regierung zu bilden, doch eine Abkehr der militärischen Unterstützung der Ukraine durch die Slowakei zeigt sich bereits: So wurde am 4. Oktober bekannt, dass sich die Staatspräsidentin Zuzana Čaputová (parteilos) gegen die Absicht des Verteidigungsministeriums gestellt hat, noch ein zusätzliches Militärhilfepaket an die Ukraine zu senden, bevor Fico im Amt ist. Man müsse das Wahlergebnis respektieren und erst einmal die Regierungsbildung abwarten, so die Erklärung.

Der bisherige Oppositionsführer Fico wird verdächtigt, mehrere Straftaten begangen zu haben, darunter Korruption und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Doch als Parlamentsabgeordneter genießt er Immunität, so dass es nie zu einer Verurteilung kam. 2018 musste er als Ministerpräsident nach Massenprotesten zurücktreten, die auf den bis heute nicht vollständig aufgeklärten Auftragsmord an dem jungen Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušní­rová folgten. Kuciak hatte zu Verbindungen der italie­nischen Mafia in höchste Regierungskreise recherchiert.

Nun erscheint eine vierte Amtszeit Ficos als Ministerpräsident sehr wahrscheinlich. Präsidentin Čaputová gab Fico am 2. Oktober den Auftrag, ein Regierungsbündnis zu bilden, wofür er bis zum 16. Oktober Zeit hat. Sollte er scheitern, kommt der PS-Vorsitzende Michal Šimečka zum Zug, oder auch Peter Pellegrini von der drittplatzierten sozialdemokratischen Partei Hlas (Stimme), die knapp 15 Prozent der Stimmen erhalten hat und in jedem denkbaren Szenario Teil einer Regierungskoalition wäre. Hlas ist eine Abspaltung von Smer und wurde 2020 vom ehemaligen Ministerpräsidenten (2018–2020) und Smer-Abgeordneten Pellegrini gegründet, dem der Kurs Ficos zu extrem wurde.

Die derzeit am wahrscheinlichsten erscheinende Koalition bestünde aus Smer, Hlas und der rechtsextremen Slovenská národná strana (SNS, Slowakische Nationalpartei) mit Fico als Ministerpräsident. Die SNS gilt als Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker und als extrem roma- und LGBT-feindlich, sie ist putinistisch und nationalistisch ausgerichtet und erhielt 5,6 Prozent der Stimmen. Außer dem Vorsitzenden Andrej Danko sind die anderen für SNS ins Parlament gewählten Abgeordneten keine Parteimitglieder, so dass sie zu Smer übertreten könnten, was eine Zweierkoalition aus Smer und Hlas ermöglichen würde. Denkbar ist auch, bei gleicher Parteienzusammensetzung, dass Pellegrini erneut Ministerpräsident wird mit Fico als Parlamentspräsidenten.

Daneben wurde zunächst eine Koalition aus Smer, Hlas und der katholisch-konservativen Kresťanskodemokratické hnutie (KDH, Christlich-demokratische Bewegung) erwogen, doch diese Möglichkeit ist inzwischen vom Tisch. Denkbar wäre ebenfalls eine proeuropäische Koalition von PS, Hlas, der KDH und der neoliberalen Sloboda a Solidarita (Saska, Freiheit und Solidarität, vormals SaS). Ein Scheitern der anstehenden Koalitionsverhandlungen gilt als unwahrscheinlich, und so wird sich bald zeigen, ob die Ukraine zukünftig noch auf militärische Unterstützung aus der Slowakei hoffen kann.