Small Talk mit Ulf Balmer von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin über die jüngste rechtsextreme Demonstration in Berlin und den schwachen Gegenprotest

»Das sah wie eine Ver­samm­lung von Pegida aus«

Am Tag der Deutschen Einheit demonstrierten verschwörungsgläubige Gruppen im Zentrum von Berlin. Es kamen mehrere Tausend Menschen, auch die AfD war da. Die Jungle World sprach mit Ulf Balmer von der ­Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin über die Vermischung der rechtsextremen Milieus und darüber, warum der Gegenprotest so auffallend klein ausfiel.
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Was war Ihr Eindruck von der verschwörungsideologischen Versammlung am 3. Oktober?

Am Spannendsten zu beobachten war für uns das organisatorische Zusammengehen von verschwörungsideologischen und rechtsextremen Milieus. Die Demo mit bis zu 3 000 Teilnehmern am Berliner Dom wurde vom Zusammenschluss »Deutschland steht auf« ausgerichtet. Unserem Eindruck nach sah das eher wie eine Versammlung von ­Pegida aus, so wie man sie etwa seit 2014 aus Dresden kennt, mit vielen Deutschland-, Wirmer-, Compact- und AfD-Fahnen – zumal viele Teilnehmer aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen angereist waren. Mitte September hatte es bereits in Magdeburg eine Demonstration ­gegeben, bei der die Grenzen zwischen Verschwörungsgläubigen und Rechtsextremen verschwammen. In anderen Bundesländern ist das kein neues Phänomen, in Berlin hatten wir das seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie in dieser Form noch nicht.

Welche Milieus trafen in Berlin aufeinander?

In Magdeburg gab es eine regionale Zusammenarbeit mit der AfD Sachsen-Anhalt. Hier war es die AfD Brandenburg, die mit einem eigenen Infostand und mehreren Redner:innen vertreten war. Die kleiner werdende aktive verschwörungsideologischen Szene hat bundesweit einen harten Kern von Teilnehmer:innen, die häufig selbst lokale Proteste veranstalten und im Rahmen großer Mobilisierungen wie dieser zusammenkommen. Unter den Teilnehmer:innen am Dom gab es jedoch auch viele Personen aus der rechtsextremen Hooligan-Szene. Zwar waren diese Personen nicht in der Mehrzahl, aber es waren mehr als sonst bei solchen verschwörungsideologischen Veranstaltungen. Zudem waren sie teilweise organisatorisch eingebunden.

Welche Positionen wurden bei der Demonstration vertreten?

Die aufpeitschende Moderation am Dom setzte damit ein, dass hier so viele Leute auf dem Platz versammelt seien wegen »der Parasiten«, die dieses Land regieren. Da sind wir in einer an den Nationalsozialismus angelehnten und codiert antisemitischen Sprachwelt. Immer wieder wurde in den Reden die verschwörungsideologische und antisemitische Chiffre der »Globalisten« bemüht. Banner mit Reichsbürger-Slogans wie »Frieden, Freiheit, Souveränität« wurden gezeigt und gleichlautende Parolen wurden über ein Megaphon immer wieder angestimmt, ein Großteil der Menschen hat sie mitskandiert.

Unter anderem die »Omas gegen rechts« und die »Antiverschwurbelte Aktion« haben zum Gegenprotest aufgerufen, dieser fiel jedoch ziemlich klein aus. Warum sind so wenige Leute gegen diese große rechtsextreme Demonstration auf die Straße gegangen?

Die Gründe sind vielschichtig und es fällt mir schwer, darauf eine knappe Antwort zu geben. Für die »Omas gegen rechts« war der Tag ein Erfolg, denn normalerweise mobilisieren sie in Berlin derzeit weniger Menschen, diesmal waren es bis zu 50. Dass eine solche Größenordnung in Berlin nicht zufriedenstellend ist, ist klar. Was ich in letzter Zeit wahrnehme, sind Kommentare, denen zufolge die antifaschistischen Strukturen in der Stadt versagt hätten. Man will die ehrenamtlich Engagierten offenbar an ihrer Ehre packen. Die Frage ist, ob die so Adressierten überhaupt noch da sind. Während der Coronapandemie sind viele Initiativen und berlinweite antifaschistische Bündnisse verschwunden. Für uns geht es eher darum, den Engagierten zu helfen und sie dabei zu begleiten, ihre Initiativen aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Beschwerden über geringe Teilnahme helfen dabei nicht.