Ali Bongo gestürzt

Putsch gegen Ali Bongo

In Gabun hat das Militär den langjährigen autoritär regierenden Staats­präsidenten Ali Bongo gestürzt. Zu den Hintergründen des Putsches.

Paris. Nun hat es auch das zentralafrikanische Gabun erwischt. Vorige Woche entmachtete ein Militärputsch den Staatspräsidenten Ali Bongo. Am Montag legte der neue Übergangspräsident, der 48jährige Armeegeneral Brice Clotaire Oligui Nguema, den Amtseid ab. Mit anderen Armeeangehörigen hatte er am Mittwoch voriger Woche Ali Bongo gestürzt; die Putschisten schlossen sich danach zum nunmehr regierenden »Komitee für den Übergang und die Wiederherstellung der Institutionen« (CTRI) zusammen. Ali Bongo steht unter Hausarrest. Es handelte sich um den achten Putsch im vormals von Frankreich kolonisierten Teil Afrikas seit 2020, nach denen in Burkina Faso, Mali (je zweimal), Guinea, im Tschad und vor kurzem in Niger. Auslöser des Putschs war, dass Ali Bongo in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch voriger Woche offiziell zum Sieger der zurückliegenden Präsidentschaftswahl proklamiert worden war.

Erstmals seit über einem halben Jahrhundert regiert damit kein Bongo mehr die erdöl- und auch sonst an Bodenschätzen reiche Republik am Äquator, die nur rund zwei Millionen Ein­woh­­­ner:innen zählt. Der Vater des nun Abgesetzten, Albert-Bernard Bongo, änderte seinen Namen 1973 in Omar Bongo, nachdem er aus Gründen, die mit der Ölkrise jenes Jahres und dem Bedeutungszuwachs der Opec zusammenhingen, zum Islam konvertiert war, um sich den Golfmonarchien anzunähern; er wurde vor knapp 56 Jahren, Anfang Dezember 1967, Staatspräsident. Doch schon 1965 war er in Personalunion Minister für das Präsidialamt sowie Außen- und Verteidigungsminister.
Sein Sohn Ali wurde nach dem Ableben Omar Bongos im Juni 2009 sein Nachfolger im Amt; im August desselben Jahres, und erneut sieben Jahre später, ließ er sich im Rahmen einer offenkundigen Wahlfarce bestätigen. Doch traf Ali Bongo auf größere Schwierigkeiten als der Gründer der Dynastie.

Omar Bongo, dessen Staatsapparat nur die Ölrente sowie die Einnahmen aus dem Abbau von Eisen- und Manganerz abzuschöpfen brauchte, hatte in großem Ausmaß in die eigene Tasche gewirtschaftet, aus der überdies auch Gelder an politische Funktionsträger und Parteien in Frankreich flossen – die Bandbreite der Empfänger reichte in den achtziger und neunziger Jahren vom Parti Socialiste (PS) bis zum Front National (FN). Der französische Staatskonzern Elf, der Vorläufer des mittlerweile privatisierten Erdölkonzerns Total, französische Politiker und der Bongo-Clan teilten die Gewinne aus dem Rohstoffabbau in Gabun als Beute unter sich auf. Beim Erzabbau spielte der französische Konzern Eramet eine Rolle, bei dem wiederum die französischen Staatskonzerne Elf und Erap gemeinsam die Anteilsmehrheit hielten.

Der Coup in Gabun ist der achte Putsch im vormals von Frankreich kolonisierten Teil Afrikas seit 2020, nach denen in Burkina Faso, Mali (je zweimal), Guinea, im Tschad und vor kurzem Niger.

Dennoch schaffte Omar Bongo es zu Lebzeiten immer wieder, sich auch eine inländische Klientel buchstäblich zu kaufen. Die Audienzen im Präsidentenpalast am Atlantik hatten damals den Ruf, dass, wer einmal dorthin eingelassen wurde, grundsätzlich mit mehr oder minder dicken Bündeln an Geldscheinen wieder herauskomme. Eingeweihte sollen deshalb möglichst voluminöse Taschen mitgebracht haben. Hingegen galt sein Sohn als einer, bei dem man, wenn man ihm die Hand gegeben hatte, hinterher lieber überprüft, ob der Ring noch am eigenen Finger ist.

Vor allem Ali Bongos engere Familie hatte zuletzt begonnen, sich bei der Aufteilung der Pfründe, darunter beispielsweise aus der Vergabe von Importlizenzen, den Löwenanteil zu sichern. Ali Bongo ist mit der Immobilienmaklerin und französischen Staatsbürgerin Sylvia Bongo, gebürtige Valentin, verheiratet. Diese und beider gemeinsamer Sohn, Noureddin Bongo Valentin, gewannen vor allem nach Ali Bongos schwerem Schlaganfall vom Oktober 2018, von dem er sich nie gänzlich erholen sollte, an Einfluss. Dem Junior wurden Ambitionen auf eine dynastische Nachfolge in dritter Generation nachgesagt.

So machte sich der Amtsinhaber auch innerhalb des eigenen Clans allmählich unbeliebt. Zu dem zählt auch Putschgeneral Oligui Nguema: Seine Mutter war eine Cousine des verblichenen Omar Bongo. Allerdings zählt Oligui Nguemas Vater zur Sprachgruppe der Fang, die zwar in dem multiethnischen Land mit einem Anteil von rund 40 Prozent die stärkste Bevölkerungsgruppe darstellt, doch bislang weitgehend von höheren Armeerängen und dem Zugang zur Macht ausgeschlossen blieb.

Die Kandidaten der gegen Ali Bongo bei den alle sieben Jahre stattfindenden Präsidentschaftswahlen verbündeten Oppositionsparteien zählten dementsprechend alle zu den Fang: im Jahr 2009 der Politikwissenschaftler André Mba Obame, 2016 der frühere Kommissionschef der Afrikanischen Union, Jean Ping, und zuletzt in diesem Jahr der Wirtschaftsprofessor Albert Ondo Ossa.

Die Familie Bongo ihrerseits zählt zu den Téké, die rund sieben Prozent der Gesamtbevölkerung stellen und deren Angehörige, oder jedenfalls die Wohlhabenderen und den Machthabern näherstehenden unter ihnen, systematisch bevorzugt wurden. Insofern verbindet sich mit dem neuen Übergangspräsidenten in relevanten Teilen der Bevölkerung auch die Hoffnung auf eine Überwindung bisheriger ethnischer Schranken beziehungsweise Privilegien.

Der diesjährige Oppositionskandidat, der 69jährige Ondo Ossa, sprach schon am 31. August, dem Tag nach dem Militärputsch, im französischen Sender TV5 Monde von einer »Palastrevolution« und führte sie auf das Wirken der ältesten Schwester des abgesetzten Präsidenten, Pascaline Bongo, im Hintergrund zurück. In einem am Wochenende in der Pariser Abendzeitung Le Monde publizierten Interview mochte Ondo Ossa diese Behauptung allerdings nicht wiederholen: »Ich habe es einmal gesagt, ich werde es nicht wieder sagen. Ich stehe in Kontakt mit ihr.« Die 1956 geborene Pascaline Bongo ist keine einflusslose Person, sie gilt als diejenige, die die Übersicht über die Bankkonten des Familienclans hat.

Außer dem Oppositionskandidaten Ondo Ossa, der Le Monde zufolge bei der jüngsten Präsidentschaftswahl vom 26. August in Wirklichkeit »rund 70 Prozent der Stimmen« erhalten ­hatte, vertreten auch andere nationale wie internationale Ex­pert:innen die These von einem Putsch, der aus dem inneren Kreis des Machtgefüges gekommen oder zumindest unterstützt worden sei. So sagte etwa im Nachbarland Kamerun der Hochschullehrer Eric Mathias Owona Nguini: »Diese Militärs sind alle Mitglieder eines Systems, und es ging darum, zu vermeiden, dass es stürzt.«

In Kamerun setzte der mittlerweile 90jährige Staatspräsident Paul Biya, bereits seit 1982 im Amt, vorige Woche eilig einige Generäle ab und neue ein, auf dass es ihm nicht ergehe wie Ali Bongo. Unterdessen wählte das Magazin Jeune Afrique die Überschrift: »Ali, Pascaline und Sylvia – bei den Bongos: von der Familienquerele zum Staatsstreich?«

Es deutet also zumindest vieles darauf hin, dass der Putsch weitgehend präventiven Charakter hatte, jedenfalls für Teile der bisher regierenden Oligarchie, und dass er auch unternommen wurde, um einen tiefergehenden ­Wandel zu verhindern – obwohl es sicherlich auch darum ging, bestimmte bisherige Profiteure des Korruptionssystems vom Zugang zu den Pfründen abzuschneiden. Sylvia Bongo war noch Anfang der Woche an einem geheim gehaltenen Ort inhaftiert, sechs ihr oder ihrem Sohn nahestehende Funktionäre wurden festgenommen. Im Fernsehen übertragene Bilder zeigten dazu Koffer, aus denen Geldscheine quollen.

Die Bevölkerung ging spontan zu Freudendemonstrationen auf die Straßen, um ihre Genugtuung darüber kundzutun, dass jedenfalls der harte Kern der bisherigen Regierungsmafia entmachtet zu sein scheint. Ob dies so bleibt, wird auch von den weiteren Möglichkeiten, oder dem Mangel an Möglichkeiten, für die Opposition abhängen, sich in die Entwicklung einzumischen. Ondo Ossa wollte jedenfalls in seinem Interview in Le Monde die Bevölkerung nicht auffordern, aktiv zu protestieren: »Dies ist eine Option, die ich zur Seite schob.«

Frankreich unterhält in der Hauptstadt Libreville eine Militärbasis sowie eine Militärschule, an der auch Armeepersonal aus Nachbarländern – dem Tschad, Kamerun, den beiden Kongo-Staaten – fortgebildet wird.

Auch und gerade in Frankreich betrachtet man den Gang der Dinge mit größter Aufmerksamkeit. Staatspräsident Emmanuel Macron hielt sich zuletzt im März in Gabun auf. Das Land zählte bislang zu den Zentren der postkolonialen Einflusszone Frankreichs auf dem afrikanischen Kontinent, ja als deren »Kronjuwel«. Frankreich unterhält in der Hauptstadt Libreville eine Militärbasis sowie eine Militärschule, an der auch Armeepersonal aus Nachbarländern – dem Tschad, Kamerun, den beiden Kongo-Staaten – fortgebildet wird. Bislang fordert die Übergangsregierung, anders als die neuen Machthaber nach den Putschen in den Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso und nun Niger, nicht den Abzug der französischen Truppen.

Dennoch ist damit zu rechnen, dass auch dort die Bevölkerung eher darauf drängen wird, dass dem Einfluss der früheren Kolonial- und noch immer bedeutenden Wirtschaftsmacht ein Ende oder zumindest eine enge Grenze gesetzt wird. Aber auch Teile der Führungsschicht wünschen eine Überwindung des noch bis vor wenigen Jahren quasi symbiotischen Verhältnisses der heimischen Oligarchie zur französischen Politik und Wirtschaft.

Gabun trat, zusammen mit dem ebenfalls von einer Diktatur regierten und zur französischen Einflusszone zählenden Togo, Ende Juni 2022 demonstrativ dem britischen Commonwealth bei. Dabei ging es vor allem darum, den Entscheidungsträgern in Paris zu demonstrieren, dass man sich auch auf andere Mächte stützen oder zumindest mit ihnen ins Geschäft kommen könne – wie mit dem nach dem Austritt aus der EU nach eigenständiger Weltpolitik strebenden Vereinigten Königreich, aber auch mit China.

Die Motive der Bevölkerung und die der politischen Führungsschicht unterscheiden sich: Letztere wünscht, dass der internationale Druck, einigermaßen korrekte Wahlen abzuhalten, nachlässt. Bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in Gabun waren weder ausländische Journalisten noch Wahlbeobachter zugelassen. Zumindest offiziell konnte Frankreich ein solches Verhalten nicht gutheißen, Macron hatte bei seinem Besuch im März erklärt, Frankreich unterstütze ein befreundetes Land, nicht einen bestimmten Kandidaten. In China hingegen legt man keinen Wert auf solche Differenzierungen. Mit solchen »Partnern« noch besser ins Geschäft zu kommen, um den internationalen Druck auf die herrschende Oligarchie zu reduzieren, könnte auch in deren Interesse liegen.