Am Samstag wurde in Berlin gegen das Rammstein-Konzert demonstriert

Proteste bei 35 Grad

Etwa 400 Menschen demonstrierten am Samstag gegen das ausverkaufte Konzert von Rammstein im Berliner Olympiastadion. Grund waren die sich häufenden Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den Sänger der Band.

Vereinzelte Bäume spendeten wenig Schatten. 30 bis 40 Personen suchten am Samstag unter diesen Schutz, um der Hitze von 35 Grad am Berliner Theodor-Heuss-Platz zu entkommen. Eine Frau besprach mit ihren jungen Mitstreiter:innen das Programm. »Wir sind wütend. Wir wollen nicht singen, wir wollen schreien«, sagte sie den Umstehenden. Das Aktionsbündnis »Kein Rammstein in Berlin« hatte für diesen Tag zum Protest gegen drei Rammstein-Konzerte geworben.

Die Vorgeschichte: Nachdem Vorwürfe öffentlich geworden waren, der ­Sänger der Band, Till Lindemann, habe Frauen auf Aftershow-Partys sexuell missbraucht, wurde auf der Plattform Campact e. V. eine Petition namens »Keine Bühne für Rammstein« initiiert, die zum Ziel hatte, dass die Konzerte am 15., 16. und 18. Juli nicht stattfinden dürfen. Als klar war, dass das Land Berlin die Verträge mit dem Konzertveranstalter nicht kündigen würde, formierte sich unter dem Motto »Kein Rammstein in Berlin! Vor Gericht statt auf die Bühne!« das Aktionsbündnis, um weiterhin die Absage der darauffolgenden Konzerte zu fordern.

Britt Baiano, Pressesprecherin und Mitinitiatorin des Aktionsbündnisses »Kein Rammstein in Berlin«, sagte der Jungle World, mit dem Protest fordere man eine konsequente juristische Aufarbeitung der Vorfälle. Auf der Demonstrationsroute vom Theodor-Heuss-Platz zum Olympiastadion befürchtete sie Probleme. Schon in München hätten Rammstein-Fans Protestierende verbal und körperlich angegangen, gefilmt und eingeschüchtert. Gegen die Demonstration in Berlin sei auf sozialen Medien sogar zur Gewalt aufgerufen worden. »Wir gehen davon aus, dort sind die Fans, die weiterhin hinter Rammstein stehen und auch ganz klar abstreiten, dass das, was gerade im Raum steht, wirklich passiert ist«, so Baiano.

Allmählich füllte sich der Treffpunkt mit Menschen, die ihre mitgebrachten Schilder der Presse präsentierten. Unter den stolzen Augen der Eltern streckte sich ein Ärmchen mit einem »Rammstein? Nein!«-Schild aus einem Kinderwagen. Baiano sagte, dass man insgesamt viel Unterstützung erhalten habe.

Außer dem Logo der Band trugen viele Rammstein-Fans auch den Reichsadler auf dem T-Shirt.

»Wir glauben den Opfern, wir glauben den Überlebenden, wir glauben an Selbstverteidigung«, schloss ein Redebeitrag unter tosendem Beifall. Wasserflaschen wurden fleißig ­verteilt, dann setzte sich der Demonstrationszug langsam in Bewegung. Ein Lautsprecherwagen gab klare Parolen vor. »Jetzt oder später: keine Show für ­Täter«, hieß es beispielsweise, und die Menge stimmte schnell mit ein. ­Ei­nige Journalist:innen eilten eifrig mit ­Kameras und Mikrophonen von einem Seitenstreifen zum anderen, um die mittlerweile etwa 400 Menschen aus jedem erdenklichen Blickwinkel auf­zufangen.

Vereinzelt machten Rammstein-Fans Halt, um die aufgebrachte Menge zu filmen – vor allem Männer Mitte 50, auffallend oft mit Frisuren, die der des Frontmanns der Band stark ähnelten. Außer dem Logo der Band trugen ­viele auch den Reichsadler auf dem T-Shirt. »Schämt euch«, schrien die Demonstrant:innen den Fans aufgebracht entgegen. Auf dem Weg zum Stadion begleiteten immer mehr Fans die Demonstration am Rande. Die ­Polizei schirmte beide Gruppen jedoch streng voneinander ab. Ausgestreckte Mittelfinger gingen auf beiden Seiten in die Höhe.

Am Olympiastadion angekommen, übertraf die Anzahl der Fans die der Demonstrant:innen um ein Vielfaches. Bei den Fans hielt eine Frau ein Schild in die Höhe: »Wir halten zusammen«. »Rammstein ist scheiße, ihr seid die ­Beweise«, antworteten die Demons­trant:in­nen. Trotz der knallenden ­Sonne blieben viele bis zum Schluss der Demonstration.

Baiano sah darin einen Erfolg. Sie berichtete allerdings auch von Konfrontationen. Ein Fan habe den Hitlergruß gezeigt, andere hätten zur Vergewaltigung der Demonstrant:innen aufgerufen. Hoffnung, dass die Inhalte der ­Demonstration bei den Rammstein-Fans angekommen seien, habe sie nicht. Aber für das Bündnis sei noch nicht Schluss: »Es wird ja noch Konzerte geben in Paris, auch in Wien und auch in Brüssel.« Sollten sich Bündnisse in diesen Städten bilden, »werden wir sie auf jeden Fall auch unterstützen, auch vor Ort.«

Vor dem dritten der drei ausverkauften Konzerte in Berlin schilderten zwei weitere Frauen in Gesprächen mit dem NDR und der Süddeutschen Zeitung mutmaßliche Übergriffe. Neben Lindemann wird nun auch der Keyboarder der Band, Christian »Flake« Lorenz, beschuldigt. Eine Frau berichtete der ­Süddeutschen Zeitung, Lorenz habe sich 2002 zu ihr ins Bett gelegt, als sie stark alkoholisiert gewesen sei. Sie habe sich nicht gewehrt, da sie nicht mehr in der Verfassung dafür gewesen sei. Sie habe sich nur noch wegdrehen können. Flake habe sie allerdings zurückgedreht und mit ihr Sex gehabt. Der Keyboarder der Band ließ die Vorwürfe über seine Anwälte zurückweisen.