Homestory

Homestory #13/23

Homestory Von

Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten Warenhäuser die kriegszerstörten Innenstädte wiederbeleben, heutzutage lässt der Online-Handel die Innenstädte aussterben. Der BWL-Professorin Hanna Schramm-Klein von der Universität Siegen zufolge schafft das Warenhaus jedoch nicht mehr genügend Anreize, um Leute dazu zu bringen, ihre Freizeit in den Innenstädten zu verbringen, sie scheiterten dar­an, die »Innenstädte als Erlebnisorte zu positionieren«. Von der Schließung der Kaufhäuser könne sich niemand überrascht zeigen, sagte die Wissenschaftlerin dem Radiosender Deutschlandfunk: »Damit hat man seit Jahrzehnten rechnen müssen. Wer da nicht vorbereitet war, muss sich das selbst als Defizit zuschreiben.« Die Idee der großen Konsumtempel sei überholt und hätte insbesondere jungen Menschen nichts mehr zu bieten: »Wenn Sie sich Einrichtungen und Sortimente von Warenhäusern anschauen, dann sind die nicht mehr attraktiv. Sie sind oft schmucklos, die Sortimente sind begrenzt, es ist ein wenig altbacken«.

Bei der Jungle World ist man dem Warenhaus hingegen nostalgisch verbunden. Ein Kollege träumte als Kind, inspiriert von einem Kinderbuch, sehnsüchtig davon, einmal unbemerkt über Nacht im Kaufhaus eingeschlossen zu werden – was er dort nicht alles unternehmen könnte! Ein anderer Mitarbeiter Ihrer Lieblingszeitung sieht sich in einer Welt ohne Kaufhäuser bereits beim Schnürsenkelkauf herausgefordert. Und was die Jugend in Kleinstädten angeht, so scheint das Warenhaus durchaus als Erlebnisort funktioniert zu haben, wenn auch vielleicht anders, als Schramm-Klein es meinte.

Eine Redakteurin erinnert sich, ihre Jugend in der Sonne auf dem Parkdeck von Karstadt verbracht und sich mit einer Freundin die Tage vorzüglich damit vertrieben zu haben, Vorbeigehende mit Granny-Smith-Apfelkitschen und Riffle Chips zu bewerfen. Ein noch größeres Vergnügen, als das »proletarisches Einkaufen« bot, bestand für sie darin, den Ladendetektiv mit dem Anschein beschäftigt zu halten, sie und ihre Freundin würden etwas stehlen. Beim Klauen wurde hingegen ein Redakteur erwischt, der neidisch auf die kleinstädtischen Erlebnisorte blickte. Dessen 230-Einwohner-Heimatdorf hatte statt eines Kaufhauses lediglich eine Waldhütte, einen Kaugummi- und einen Kippenautomaten. Der Kaugummiautomat fiel der einen oder anderen pyromanischen Aktion zum Opfer und die Produktpalette der Waldhütte war nicht vergleichbar mit jener aus den Einkaufszentren der Großstadt, weswegen der Kollege rückblickend gesteht, dass sich der Einbruch nicht gelohnt hatte.

Als Redakteursarbeit noch eine vornehmlich analoge Tätigkeit war, lockte bei Karstadt die große Schreibwarenabteilung. Schon früh ging für eine ehemalige Jungle World-Redakteurin eine gewisse Anziehungskraft von bunten Markern aus. Bevor sie anfing, ihr Gehalt in die Stifte zu investieren, um damit Sätze zu markieren, fanden sie auch ohne Bezahlung den Weg in ihre Tasche, um dann an Wänden eingesetzt zu werden. Speziell der Karstadt am Hermannplatz in Neukölln ist ein von Jungle World-Mitarbeitern regelmäßig frequentiertes Kaufhaus, so manche Mitarbeiter und Ehemalige laufen sich dort über den Weg, auch pflegen sie den Kontakt mit den Arbeiterinnen dort und bleiben im Bilde, was die so umtreibt.