Homestory

Homestory #11/23

Zu den wöchentlichen Konferenzen, die für die Produktion Ihrer Lieblingszeitung nötig sind, gehört eine, bei der auf der Grundlage mehrerer Vorschläge über das Titelbild entschieden wird. Die Auswahl ist nicht immer einfach, zumal oftmals Unerfreuliches bebildert werden muss.

Ein Krieg zum Beispiel, und wir wollen unseren Leser:innen ja nicht mit zerfetzten Leichen schockieren. Beim eher unblutigen Thema dieser Woche gab es ebenfalls Bedenken. Sollten wir unseren Leser:innen den Anblick »typisch englischer« Gerichte zumuten? Bekanntlich ist die englische Küche berüchtigt, seit ­Asterix und Obelix die Insel besuchten. Später kontrollierte die East India Company den Gewürzhandel, dennoch erwarben die Brit:in­nen keine Kompetenz beim Gebrauch der vielen exotischen Gewürze. Oder sind das alles nur Vorurteile? Immerhin machen sie doch gute Weingummis. Und was ist eigentlich schlecht an Würstchen, Spiegelei, Bacon und Bohnen? Gibt es ein besseres Katerfrühstück? Diese Fragen mussten vorläufig ungeklärt bleiben, denn der Montag ist ein hektischer Produktionstag, an dem wenig Zeit für kulinarische Debatten bleibt.

Eine Option für die Titelseite ist oft auch ein Symbolbild, und im Hinblick auf Klischees hat das Vereinigte Königreich einiges zu bieten. Doch vor den Stürmen der Modernisierung und Globalisierung schützt der Kanal nicht. Uber verdrängt in London die traditionellen Taxis, rote Telefonzellen gibt es nur noch, weil sie unter gesetzlichem Bestandsschutz stehen, und die Fuchsjagd wird immer mehr eingeschränkt. Ohnehin erinnern die meisten Klischees zu sehr an die Schulbuchbilder, die Sie im Englischunterricht kennengelernt haben. Eine britische Tradition aber gibt es, über die Sie damals vermutlich nichts gehört haben: die des kämpferischen Streiks. Sie ist wieder aufgenommen worden und Streikende, die dem auf den britischen Inseln obligatorischen Regen trotzen, zieren nun unser Titelbild.

Sollte es am 23. März an Ihrem Wohnort regnen, müssen Sie sich nicht grämen. Denn abends können Sie getrost daheim bleiben, Zoom anwerfen und ab 19 Uhr eine gemeinsam Online-Veranstaltung von Jungle World und Heinrich-Böll-Stiftung zum Ukraine-Krieg verfolgen. Volodymyr Artiukh, Redakteur von Commons: Journal of Social Criticism, und unser Redakteur Paul Simon referieren und diskutieren über die Auswirkungen des Kriegs auf die ukrainische Gesellschaft, innerukrainische Debatten und die Haltung deutscher Linker.

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