Über den rechtsextremen Protest im sächsischen Plauen seit vergangenem Herbst

Aufstieg und Fall einer rechten Protestbewegung

Aus dem »heißen Herbst« ist nichts geworden. Die Gruppe »Forum für Demokratie und Freiheit« brachte zeitweilig Tausende Menschen in Plauen auf die Straße, mittlerweile sind es nur noch einige Dutzend.

Ende August 2022 tauchte eine neue Gruppierung namens »Forum für Demokratie und Freiheit« in Plauen auf und versammelte auf einen Schlag 2 500 Menschen bei ihrer Kundgebung, die sie »Volksversammlung« nannte. Zwei Wochen später im September waren es schon 5 000 – in der Stadt mit knapp 60 000 Einwohnern eine beträchtliche Menge. Die Gruppe bot ein inzwischen typisches Gemisch: Mit Putin zugeneigter Friedenssymbolik und Verschwörungstheorien im »Querdenken«-Stil werden extrem rechte Positionen propagiert, als klassisch rechtsextrem versteht die Gruppe sich aber nicht. In einem schon im vergangenen Sommer veröffentlichen 21-Punkte-Programm forderte das Forum die Auflösung von Bundestag und Bundesregierung und eine »öffentliche Untersuchung gegen die Politik der letzten 25 Jahre« sowie das Ende aller Sanktionen gegen Russland.

Die Veranstaltung in Plauen sollte den Auftakt für einen »heißen Protestherbst« darstellen, wie ihn sich damals viele Rechtsextreme erhofften. Alle zwei Wochen demonstrierte das Forum in Plauen. Doch der heiße Herbst blieb im ganzen Land hinter den Erwartungen zurück. In Plauen ist davon ein halbes Jahr später nur eine »Mahnwache für Frieden« mit nicht einmal mehr 50 regelmäßigen Teilnehmenden übriggeblieben. Die Organisationsgruppe des Forums ist inzwischen gespalten.

Trotzdem lohnt sich die Frage, warum in einer Region, in der normalerweise die Nazi-Kleinstpartei »Der III. Weg« rechtsextreme Proteste organisiert, so viele Menschen dem Aufruf des Forums folgten. Die Organisator:innen der Kundgebungen haben sind nicht spontan zusammengefunden. Mindestens seit Dezember 2021 kannte man sich offenbar, denn seitdem besteht eine Facebook-Gruppe für das Forum.

Einige Redner bei den Kundgebungen stammen aus der lokalen »Quer­denken«-Szene. Andere waren früher in den Protesten einer Initiative namens »Wir sind Deutschland« involviert, die 2016 in Plauen, aber auch in Bautzen oder Dresden stattgefunden haben – dabei handelte es sich um einen Versuch, rechte Proteste zu veranstalten, die moderater erscheinen sollten als die von Pegida. Es gibt also eine Kontinuität solcher Netzwerke in Plauen und im Vogtlandkreis.

Neu waren allerdings das öffentliche Auftreten des Forums und die Inszenierung der Kundgebungen. Die Veranstaltergruppe um David T. und Moreen T. nutzte exzessiv das Mittel der Live-Feeds. Wie kommerzielle Influencer sprachen sie ihr Publikum dabei direkt an und zeigten ihr Gesicht. Es gibt zudem unzählige Youtube-Videos, auf denen sich die Kundgebungen und die dort gehaltenen Reden anschauen lassen.

Häufig behauptete das Form in seiner Agitation, man kämpfe für Redefreiheit und Demokratie. Bei den »Volksversammlungen« wurde eine etwas eigentümliche Form »direkter Demokratie« praktiziert, indem die Anwesenden dazu aufgefordert wurden, darüber abzustimmen, ob die Kundgebung stattfinden solle. Das Publikum pfiff und klatschte, und damit war es einstimmig beschlossen.

Bei den frühen Kundgebungen traten oft ortsansässige Redner:innen auf. Erst mit der Zeit kamen mehr oder weniger prominente Leute von außerhalb. André Poggenburg (ehemals AfD), Walter Weber von der »Querdenken«-Gruppe »Ärzte für Aufklärung«, Andreas Hofmann alias DJ Happy Vibes von der extrem rechten Kleinstpartei Freie Sachsen und Marcus Fuchs von »Querdenken 351 Dresden« bekam man bei den Plauener Kundgebungen zu hören.

Das Forum zeigte sich von Beginn an offen für praktisch alle Themen und Verschwörungsmythen, die im extrem rechten und »Querdenken«-Milieu im Schwange sind. Die Coronadiktatur, die Kriegstreiberei der Nato gegen Russland oder die vom Weltwirtschaftsforum in Davos um Klaus Schwab angestrebte Weltherrschaft – alles war recht. Von »Lügenpresse« bis »Gender-Gaga« – die Stichworte der Reden wirken wie direkt aus einem einschlägigen Telegram-Kanal übernommen.

Zwei Aspekte allerdings rückten in Plauen stärker in den Vordergrund als gemeinhin üblich. Zum einen wurde oft über drohenden sozialen Abstieg und Verarmung gesprochen – vor allem, um ein Ende der Russland-Sanktionen zu fordern. Der zweite Aspekt war Hetze gegen die Partei Bündnis 90/Die Grünen. »Der III. Weg« hatte in der Region im Spätsommer 2021 Wahlplakate mit dem Slogan »Hängt die Grünen« plakatiert – die Rhetorik bei den »Volksversammlungen« des Forums war davon gar nicht so weit entfernt. Das zeigte sich bei den Auftritten des »Mannes aus Zwönitz« – so wird er in der Berichterstattung der Regionalpresse genannt –, der mehrmals bei den Demonstrationen in Plauen als Redner auftrat. Gegen ihn lief ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung, das aber eingestellt wurde. Bei einer Rede hatte er von »grünen Ratten«, der »wohlstandsverwahrlosten grünen Sekte« sowie »menstruierenden Ampelmännern« mit »zerfetzter Rosette« gesprochen, die sich an Kindern vergreifen wollten, indem sie sie mit »Pubertätsblockern« zu »Eunuchen« machten. Der Bürgermeister und der Landrat sahen sich nach der Rede genötigt, diese öffentlich zu kritisieren. Danach sprach der »Mann aus Zwönitz« zwei weitere Male bei Veranstaltungen des Forums.

Eine der Führungsfiguren der Freien Sachsen, Michael Brück, meinte bereits im September, die »Protestwelle im heißen Herbst geht über die Provinz, nicht über Berlin«, und kündigte Unterstützung für die Demonstrationen in Plauen an. Spätestens ab November wurden die Reden immer offener rechtsradikal; gleichzeitig kamen immer weniger Menschen.

Über die Weihnachtszeit waren die regelmäßigen Kundgebungen ausgesetzt. Einige der Hauptverantwortlichen des »Forums für Demokratie und Freiheit« haben diese Zeit offenbar genutzt, um neue Pläne zu schmieden. Ein Teil der Gruppe um Moreen T. und Michael E. wolle sich zukünftig klarer von extrem rechten Gruppen wie den »Freien Sachsen« abgrenzen, berichtete die Freie Presse. Deshalb hätten sie die »Plattform für politische Aufklärung und Frieden« gegründet. Ob sie neue Proteste in Gang bringen können, ist fraglich.

Die Reste des Forums veranstalten mittlerweile nur noch »Mahnwachen für den Frieden« mit kaum mehr als 50 Teilnehmenden. Die Veranstaltungen machen den Anschein, dass die Leute mit Geld und Organisationsfähigkeit die Gruppe verlassen haben. Doch die vergangenen Jahre lehren, dass reaktionäre Netzwerke in Plauen und im Vogtland nicht einfach verschwinden. Die nächste Protestwelle kommt bestimmt, und dann kehren auch die empörten Bürger zurück.