Nach der Durchsuchung des FBI in Donald Trumps Domizil Mar-a-Lago: Kommt es zum Verfahren?

Zwischen Knast und Comeback

Mit der Durchsuchung von Donald Trumps Villa geht das US-Justiz­minis­terium ein Risiko ein: Sollte es zu Verfahrensfehlern kommen, könnte es Trump nutzen, andernfalls aber dessen erneute Präsident­schaftskandidatur verhindern.

Er ist wieder da: Seit der Durchsuchung in seinem Anwesen Mar-a-Lago beherrscht Donald Trump die Schlagzeilen. Dem ehemaligen Präsidenten war es zuletzt schwergefallen, außerhalb der rechten Medienblase wahrgenommen zu werden. Agenten der Bundespolizei FBI durchsuchten Geschäfts- und Privaträume von Trumps Villa in Palm Beach im Bundesstaat Florida und beschlagnahmten insgesamt 26 Kisten voller Dokumente.

Umgehend kommentierte Trump das Geschehen auf seinem eigenen sozialen Medium Truth Social: »Besetzt und belagert« werde sein Zuhause. »Dunkle Zeiten brechen für unser Land an«, teilte er in einer Stellungnahme mit. Am Donnerstag voriger Woche trat Justizminister Merrick Garland vor die Presse und erklärte, die Behörden ermittelten aufgrund von Verstößen gegen das Spionagegesetz, wegen des Zerstörens von Dokumenten und des Behinderns von Ermittlungen gegen Trump. Im schlimmsten Fall könnte Trump sogar eine Gefängnisstrafe oder ein Ämterverbot drohen.

Die Synagoge der Gemeinde des Bundesrichters, der den Durch­suchungs­befehl unterschrieben hatte, erhielt Bombendrohungen.

Was genau geschehen war, bevor es zu der Durchsuchung kam, wurde in der vergangenen Woche nur scheibchenweise öffentlich bekannt: Bereits im Mai 2021 hatte das Nationalarchiv, das umfänglich Dokumente der Bundesregierung sammelt, Trump eine Liste fehlender Dokumenten vorgelegt und deren Übersendung verlangt. Beim Nationalarchiv wuchs schnell der Verdacht, dass Trumps Anwälte das Verfahren verzögerten und erst nach einem halben Jahr konnten 15 Kisten mit Unterlagen überreicht werden. CNN zufolge gehörte auch die offizielle Korrespondenz mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un zu den Dokumenten, die Trump mit nach Florida genommen hatte.

Noch während der Verhandlungen mit Trumps Anwaltsteam wandte sich das Nationalarchiv mit dem Verdacht, dass Trump Dokumente zurückhalte, an das Justizministerium, das daraufhin das FBI mit der Ermittlung beauftragte. Im Mai erließ das FBI eine strafbewehrte Verfügung, die Trump zwingen sollte, die letzten Akten herauszugeben. Spätestens seit diesem Zeitpunkt wusste Trump selbst von den Ermittlungen. Bei einem vereinbarten Besuch übergab er weitere Dokumente; einer seiner Anwälte versicherte schriftlich, dass keine weiteren der Geheimhaltung unterliegenden Akten mehr in Mar-a-Lago seien.

Es war wohl ein Informant, der den Ermittlern Hinweise darauf gab, dass Trump noch weitere Dokumente versteckt halten könnte. Zudem zeigten sich bei der Durchsuchung eklatante Sicherheitsmängel in Trumps Anwesen: Die Aktenordner waren in Kisten im Keller untergebracht, hinter einer nur mit einem Vorhängeschloss gesicherten Tür. Sorge bereitet vor allem, dass Trump Mar-a-Lago nicht nur als Fami­lienresidenz nutzt, sondern auch als Privatclub für zahlende Mitglieder, wo auch halböffentliche Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Galas stattfinden. Bereits während seiner Amtszeit als Präsident gab es Kritik an den laschen ­Sicherheitsvorschriften in Mar-a-Lago, Trump soll dort Treffen mit anderen Staatsoberhäuptern in Räumen abgehalten haben, die einfach abgehört werden können.

Die Durchsuchung scheint den Verdacht der Ermittler zu bestätigen: Mindestens elf der beschlagnahmten Akten wurden als streng geheim ein­gestuft, mindestens ein Dokument sei so brisant, dass es eigentlich von der Regierung gesondert gesichert sein müsste, berichtete das Wall Street Journal. Der Inhalt der Akten ist nicht bekannt. Aus Ermittlerkreisen wollen US-amerikanische Medien erfahren haben, dass Dossiers über den französischen Präsidenten Emmanuel Macron darunter seien.

Gegenstand wilder Spekulationen bleibt, warum Trump die Akten gelagert haben könnte. Während seiner Amtszeit wurde ihm nachgesagt, wenig Interesse an schriftlichen Informationen zu haben. Selbst Stichpunktlisten zur Vorbereitung von Sicherheitsbriefings habe er nicht mal überflogen, wie von zahlreichen Medien berichtet wurde. Zudem zeigte Trump wenig Verständnis für die Dokumentationspflichten des Präsidentenamts: Dokumente zu er­ledigten Sachen soll er oft einfach zerrissen haben. Parallel zur Untersuchung wurden Fotos öffentlich, die Notizen in Trumps Handschrift in einer Toilette im Weißen Haus zeigen sollen, wo sie offenbar heruntergespült werden sollten. Trump, der sich bis zum letzten Moment geweigert hatte, seine Wahlniederlage zu akzeptieren, ist zudem überstürzt aus dem Weißen Haus ausgezogen. Zweifel daran, dass die Akten nur aus Schlendrian in Mar-a-Lago landeten, befeuert ­indes, dass Trump – so heißt es aus Quellen in seinem Umfeld – auch auf Drängen von Beratern nicht alle Dokumente herausgeben wollte.

Bereits kurz nach der Durchsuchung sprach Trump von einer »Hexenjagd«, die seine Präsidentschaftskandidatur 2024 sabotieren solle. Die Ermittlungsbehörden würden politisch ausgenutzt. Zudem verbreitete er, bei der Durch­suchung seien Beweise manipuliert und auch private Unterlagen Trumps beschlagnahmt worden. Die Akten in Mar-a-Lago habe er ohnehin von der Geheimhaltung befreit. Als oberster Befehlshaber der Streitkräfte hat der Präsident die Befugnis, geheime Dokumente freizugeben, ausgenommen sind davon jedoch Informationen über Nuklearwaffen. Entsprechend vehement streitet Trump Berichte ab, dass unter den beschlagnahmten Dokumenten auch solche Akten seien.

Ein Großteil der Republikaner schloss sich Trumps Position an. Kevin McCarthy, der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, drohte, seine Partei werde ein Amtsenthebungsverfahren gegen Justizminister Garland einleiten, sollte sie die Zwischenwahlen zum Parlament im November gewinnen. Eine Kongressab­geordnete forderte auf Twitter sogar: »Defund the FBI«. Bei der konservativen Basis wurde die Botschaft verstanden: Die Synagoge der Gemeinde des Bundesrichters, der den Durchsuchungs­befehl unterschrieben hatte, erhielt Bombendrohungen. In Cincinnati griff ein mit einem Sturmgewehr bewaffneter Mann ein FBI-Büro an und wurde von Polizisten erschossen. Die Tat hatte er zuvor auf Truth Social angekündigt.

Für Trump, an dem bisher jeder Skandal weitgehend abgeperlt ist, kommen die Ermittlungen ungelegen. Seit Monaten ermittelt bereits ein Untersuchungsausschuss im Repräsentantenhaus wegen der Demonstration vor dem Kongress am 6. Januar vorigen Jahres. Die Versammlung war eskaliert und Trump-Anhänger waren in das Gebäude gelangt, um die Zertifizierung von Joe Bidens Wahlsieg zu verhindern. Zeugenaussagen hatten zuletzt nahegelegt, dass Trump die Demonstranten auch nach der Eskalation noch zu unterstützen versuchte und nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, selbst zum Kapitol zu fahren.

Mittlerweile gelang es dem bisher eher glücklos agierenden Präsidenten Joe Biden, ein Klima- und Infrastruk­turpaket im Kongress durchzubringen. Die Maßnahmen gelten als sein zen­trales Wahlversprechen. Auch wenn die Investitionen im Zuge der Verhandlungen auf weniger als ein Drittel der ursprünglich versprochenen Summe schrumpften, dürften die Demokraten bei den Zwischenwahlen von dem Beschluss profitieren. Ungewollte Wahlkampfhilfe gab es zudem vom konser­vativ dominierten Verfassungsgericht, das im Juni das landesweite Recht auf Abtreibungen aufhob. Dass dies selbst in konservativen Bundesstaaten nicht gut ankam, zeigte eine Volksabstimmung in Kansas Anfang August, bei der gut 60 Prozent der Wähler dafür stimmten, das Recht auf Abtreibung in der Landesverfassung festzuschreiben. Erstmals seit Monaten sehen die Umfrageinstitute wieder die Demokraten bei den Zwischenwahlen vorne.

Bei den Republikanern bleibt Trump trotzdem die entscheidende Figur. Vor den Zwischenwahlen gelang es ihm, zahlreiche innerparteiliche Kri­tiker in Vorwahlen durch seine Parteigänger zu ersetzen. Wenn er, wie bei der Conservative Political Action Conference am vorvergangenen Wochen­ende, rote Hüte in die Menge wirft und am Rednerpult verlangt, dass das Militär die Verwaltung demokratisch regierter Großstädte übernehmen solle oder dass Obdachlose in Lagern inhaftiert werden müssten, trifft er noch immer auf frenetischen Jubel. Was von diesen Forderungen ernst gemeint ist und was nur der Provokation dient, wird wohl nur er selbst wissen.

In den Umfragen unmittelbar nach Bekanntwerden der Durchsuchung konnte Trump bei Anhängern der Republikaner gewinnen. Bei der Frage, wer der republikanische Präsidentschaftskandidat sein sollte, vergrößerte Trump seinen Vorsprung auf Ron De­Santis, den Gouverneur von Florida, um etwa zehn Prozentpunkte. DeSantis gilt als möglicher Herausforderer Trumps. Er vertritt ähnlich extremistische Ansichten wie Trump, verfügt jedoch auch über genügend politischen Sachverstand, diese in konkrete Gesetze zu fassen. Ob er sich überhaupt zu ­einer Kandidatur entschließt, ist allerdings ungewiss. Der 43jährige könnte auch abwarten, ob Trump seine Kan­didatur absagt. Auch eine gemeinsame Kandidatur mit DeSantis als Vizepräsidentschaftskandidaten ist möglich, obwohl ihm persönliche Animosität gegen Trump nachgesagt wird.

Sollten die jetzigen Ermittlungen gegen Trump etwa wegen Verfahrensfehlern scheitern, könnte er dies als Beweis für seine unrechtmäßige Verfolgung heranziehen. Sollte er bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren, wäre sein Sieg dann wohl nur noch schwer zu verhindern. Sollte das Verfahren jedoch erfolgreich sein, dürfte Trump selbst dann die Unterstützung der Republikaner verlieren, wenn er nicht ins Gefängnis müsste. Es wäre ein ironisches Ende der politischen Karriere Trumps, der zwei Amtsenthebungsverfahren und eine bundesstaatliche Ermittlung wegen Wahlmanipulation weitgehend unbeschadet überstanden hat, wenn ausgerechnet die peniblen Bibliothekare des Nationalarchivs seine politischen Totengräber würden.