Die Messerattacke auf Salman Rushdie folgte aus Khomeinis Todesfatwa

Khamenei gegen Rushdie

Iranische Staatsmedien feiern die Messerattacke auf den Schriftsteller Salman Rushdie, die auf der seit 33 Jahren bestehenden Todesfatwa Khomeinis beruht.
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Unmittelbar nach dem Angriff auf Salman Rushdie im Westen des Bundesstaats New York am Freitag vergangener Woche wurde in zahlreichen Stellungnahmen und Berichten behauptet, der Hintergrund des Täters sei noch nicht klar. Auf seinen social media-­Accounts hatte Hadi Matar jedoch Sympathiebekundungen für Ayatollah Khomeini und den Obersten Führer Ali Khamenei ­gepostet sowie Bilder des Kommandanten der iranischen Quds-Brigaden, Qasem Soleimani, den die USA 2020 getötet hatten.

Auf ­seinem gefälschten Führerschein gab er sich den Nachnamen des libanesischen Topterroristen Imad Mughniyeh und den Vornamen von Hassan ­Nasrallah, dem Anführer der Hizbollah. Zwei Tage nach dem Attentat wurden erste Mutmaßungen laut, Matar habe Kontakt mit Agenten der Quds-Brigaden gehabt.

In mehreren Medienberichten wurde verbreitet, die Todesfatwa, die Khomeini 1989 kurz nach Erscheinen der »Satanischen Verse« gegen Salman Rushdie verhängt hatte, habe für das Regime im Iran keine Bedeutung mehr. Der Stern der WDR und der österreichische Standard behaupteten, die »iranische Führung« sei von der Fatwa »abgerückt«. Vermutlich sind damit die kurzzeitigen Versuche der Regierung Mohammed Khatamis gemeint, Ende der Neunziger durch eine vergleichsweise gemäßigte Rhetorik die Beziehungen zu Großbritannien zu verbessern, was jedoch zu keiner Zeit iranische Geistliche, Parlamentsabgeordnete, religiöse Stiftungen und die Revolu­tionsgarden davon abhielt, weiterhin die Ermordung Rushdies zu fordern und anzukündigen.

Die kooperative Appeasement-Politik gegenüber dem Regime in Teheran, das in Deutschland iranische Oppositionelle und jüdische Einrichtungen als potentielle Anschlagsziele ausspioniert, sollte beendet werden. 

2005 bekräftigte Khamenei, der entscheidende Mann des Regimes, Rushdie sei ein Apostat und seine Tötung sei vom Islam weiterhin autorisiert. 2017 veröffentlichte Khamenei auf seiner englischsprachigen Website eine Bestätigung des Mordaufrufs. In dem auch heute noch sichtbaren Beitrag heißt es auf die Frage, ob die Fatwa gegen »den verfluchten Lügner Salman Rushdie noch in Kraft« und was »die Pflicht eines Muslims in diesem Zusammenhang« sei: »Das Dekret ist so, wie es Imam Khomeini erlassen hat.« 2019 twitterte Khamenei abermals, die ­Todesfatwa sei »unwiderruflich«.

Religiöse Stiftungen, die von Khamenei kontrolliert werden, haben bis heute ein Kopfgeld auf Rushdie ausgesetzt: Die Stiftung »15 Khordad« hat über drei Millionen US-Dollar für seine Ermordung ausgelobt. Iranische Staatsmedien haben 2016 während der Amtszeit des im Westen systematisch verharmlosten Präsidenten Hassan Rohani das Kopfgeld um weitere 600 000 US-Dollar erhöht.

Mohammed Marandi, der die iranische Delegation bei den Atomverhandlungen in Wien berät, verlautbarte: »Ich werde nicht um ­einen Schriftsteller weinen, der unendlichen Hass und Verachtung für Muslime und den Islam versprüht.« Die Zeitschrift Kayhan, deren Chefredakteur von Khamenei ernannt wird, schrieb nach der Attacke: »Bravo für diesen mutigen und pflichtbewussten Mann, der den abtrünnigen und verdorbenen Salman Rushdie in New York angegriffen hat (…) Lasst uns die Hand desjenigen küssen, der den Hals eines Feindes Gottes mit dem Messer zerfetzte.« Die Zeitung Khorasan zeigte Rushdie auf einer Bahre und titelte »Satan auf dem Weg zur Hölle«.

Die Website Eghtesad Salem veröffentlichte einen Text, in dem der Angriff auf Rushdie als Warnung an die USA interpretiert wird, weil er den langen Atem des iranischen Regimes zeige: »Die Ausführung des Befehls zur Ermordung von Salman Rushdie 33 Jahre nach dessen Erteilung ist eine Botschaft an amerikanische Beamte, dass sie die Rache des Iran für General Qasem Soleimani bis zu ihrem Tod fürchten müssen, selbst wenn die Rache 33 Jahre dauert.«

So wie beim europäischen Rechtsextremismus sollte auch global und für den Islamismus klar sein: Hetze führt zu terroristischer Gewalt und Mordaufrufe führen zu Mord. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Angriff auf Rushdie das direkte Resultat der ­Todesfatwa von Khomeini und ihrer Bestätigungen durch den derzeitigen Obersten Führer Khamenei ist. Und das sollte Konsequenzen haben: Die kooperative Appeasement-Politik gegenüber dem Regime in Teheran, das in Deutschland iranische Oppositionelle und jüdische Einrichtungen als potentielle Anschlagsziele ausspioniert, sollte beendet werden. Ein erster Schritt wäre, die iranischen Botschaften, von denen aus immer wieder Terroranschläge geplant werden, in allen europäischen Hauptstädten zu schließen und die iranischen Revolutionsgarden auf jede erdenkliche Terrorliste zu setzen.

Ernsthaft erwarten darf man derartiges allerdings ebenso wenig wie eine Änderung in der US-Verhandlungsstrategie gegenüber dem Ayatollah-Regime. In der ersten Stellungnahme der US-Regierung zum Angriff auf Rushdie, vorgetragen vom Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan, und im ersten Statement von US-Präsident Joe Biden werden der Iran und die Todesfatwa mit keinem Wort erwähnt. Das Gleiche gilt für den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, den österreichischen und den deutschen Bundespräsidenten sowie den österreichischen und den deutschen Bundeskanzler. Damit setzt sich die auf Illusionen über den Charakter des iranischen Regimes basierende Beschwichtigungspolitik fort. Der israelische Ministerpräsident Yair Lapid hat hingegen in seiner Erklärung klar die Verantwortung des Terrorregimes in Teheran benannt.