In Oberhausen wurde ein Bombenattentat auf ein Büro der Linkspartei verübt

Eine Bombe gegen links

In Oberhausen ist vor einer Geschäftsstelle der Linkspartei eine Bombe explodiert. Noch gibt es keine Hinweise auf die Täter, doch die lokalen Parteivertreter gehen von einem Angriff Rechter aus.

Das Schaufenster des »Linken Zen­trums« in der Elsässer Straße in Oberhausen ist mit Spanplatten zugenagelt. Darauf sind Parolen wie »Gemeinsam gegen rechten Terror« und »Oberhausen nazifrei« zu lesen. Am Dienstag vergangener Woche explodierte nachts gegen 3.20 Uhr vor dem Zentrum, der örtlichen Geschäftsstelle der Linkspartei, nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts eine »unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung«. Es handle sich um einen Eigenbau, der mit einfachen Mitteln und ohne pyrotechnische Kenntnisse hergestellt werden könne.

Auch ein Ladenlokal auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde ­beschädigt, doch die Hauptkraft der selbstgebauten Bombe traf das Linke Zentrum. Auch nach Ansicht der Polizei war das Parteibüro das Ziel des Anschlags.

Bei einer Kundgebung in Ober­hausen am 29. Juni fielen Aussagen wie: »Die BRD gehört den Machtjuden, dem Deep State.«

Das Zentrum liegt in der Oberhausener Fußgängerzone. Die Polizeiwache Alt-Oberhausen ist kaum 200 Meter weit entfernt. Auch tagsüber gibt es hier nur wenige Passanten, die Innenstadt Oberhausens wirkt wie ausgestorben. Einige von ihnen bleiben stehen, lesen die Sprüche auf den Holzplatten und gehen dann weiter.

Die Polizei Essen und die Staatsanwaltschaft Duisburg ermitteln nach ­eigenen Angaben bislang in alle Richtungen: »Ein politisch motivierter Hintergrund kann zum jetzigen Zeitpunkt weder bestätigt noch ausgeschlossen werden«, hieß es in einer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme. Hinweise auf die Täter lägen noch nicht vor.

»Sämtliche Fenster und die Eingangstür sind komplett zerstört. Es werden neue Einzelanfertigungen benötigt. Darüber hinaus sind Teile der Inneneinrichtung zerstört«, sagt Yusuf Karacelik, der Fraktionsvorsitzende der Linken Liste im Oberhausener Stadtrat, der Jungle World. Es gebe noch keine valide Schätzung, »aber die Kosten werden beträchtlich sein«. Am Tag nach dem Anschlag seien viele zum Zentrum gekommen, es habe eine Stimmung des »Jetzt erst recht« geherrscht. Zahlreiche Mitglieder, aber auch Nachbarinnen und Nachbarn, hätten ihre Hilfe angeboten. Am Abend beteiligten sich dann rund 300 Menschen an einer Kundgebung.

Die Linkspartei geht davon aus, dass die Täter aus der rechten Szene kamen. »Die starke Detonation sieht nicht nach gewöhnlichem Vandalismus aus. Das wenige, was wir aus der Presse erfahren haben, deutet auf einen selbstgebauten Sprengsatz hin, wie ihn militante Neonazis verwenden«, sagt Karacelik. Es habe zwar keine direkten Drohungen gegeben, die einen Anschlag hätten erwarten lassen, doch »in der Vergangenheit gab es immer wieder Neonazi-Aufkleber und Hakenkreuzschmierereien, die wir stets angezeigt und dann entfernt haben. Zuletzt auch von rechten Coronaleugnern. Aber die Häufigkeit war eher rückläufig.«

Wie viele Anschläge es auf Büros der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren gegeben hat, weiß auch der Landesverband der ­Partei auf Anfrage dieser Zeitung nicht zu sagen. In Bottrop wurden im April 2017 mehrere Schüsse auf ein Büro der Linkspartei ­abgegeben. Seitdem habe es kleinere Straftaten gegen Büros der Partei gegeben. »Vereinzelt ist uns von ­Mitgliedern berichtet worden, dass sie Drohbriefe ­erhalten haben. Das größte Problem sind aber Anfeindungen, ­Beleidigungen und Bedrohungen, die anonym im Internet getätigt werden. Eine Statistik hierüber führen wir ­jedoch nicht«, teilte der Landesverband mit.

Um die Schäden an den Räumlichkeiten des Kreisverbands zu beheben, hat die Partei zu Spenden aufgerufen. »Derzeit sondieren wir die Möglichkeiten, die uns als Landesverband darüber hinaus zur Verfügung stehen.« Man freue sich zudem sehr über die Unterstützung der Bundespartei. Auch in der Parteizentrale des Landesverbands in Düsseldorf hält man es für wahrscheinlich, dass die Täter aus der rechten Szene kommen.

Anschläge auf Büros oder Räumlichkeiten politischer Parteien sind keine Seltenheit. Die Tageszeitung Die Welt berichtete kürzlich über eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion, der zufolge allein von Januar bis Mai dieses Jahres 147 Straftaten gegen Parteieinrichtungen registriert wurden. Am häufigsten traf es die AfD, deren Einrichtungen 43 Mal angegriffen wurden. Dahinter folgen SPD (31), »Die Linke« (23), Grüne (21), CDU (17), FDP (sechs) und CSU (vier).

Eine Studie der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Angriffe auf Kommunalpolitiker seit dem Jahr 2015 stark gestiegen ist. Den Zorn der Täter erregt haben wohl vor allem die Aufnahme von Flüchtlingen und kommunale Anstrengungen zu ihrer Unterbringung und Integration. Für bundesweite Aufmerksamkeit sorgten der Rücktritt des Tröglitzer Bürgermeisters Markus Nierth (parteilos) nach Erhalt zahlreicher Hassbotschaften im Frühjahr 2015 und die Messer­angriffe auf Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) 2015 und Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) 2017 sowie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) 2019.

Während der Covid-19-Pandemie häuften sich solch Angriffe. Im Frühjahr 2021 veröffentlichte die Zeitschrift Kommunal eine Umfrage unter mehr als 1 600 Mandatsträgern. 72 Prozent der Bürgermeister gaben an, persönlich Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen oder tätliche Angriffe erlebt zu haben. »Die Zahlen zeigen, dass selbst die Coronapandemie sogar Treiber von noch mehr Hass und Gewalt ist«, sagte Kommunal-Chefredakteur Christian Erhardt damals der ARD. »Wir erleben, dass Hass und Gewalt im Homeoffice erstmals eine signifikante Rolle in der Coronapandemie spielt.«

Auch in Oberhausen war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Protesten gegen die Pandemieschutzmaßnahmen gekommen, bei denen auch Rechtsextreme auftraten. In den vergangenen Monaten wurde regel­mäßig am Mittwoch demonstriert. Nach einer Kundgebung am 29. Juni nahm die Polizei Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung auf, nachdem ein Teilnehmer während einer Rede Aussagen getätig hatte wie: »Die BRD gehört den Machtjuden, dem Deep ­State«, und: »Die BRD hasst die Deutschen, die wollen uns ausrotten.« Die Oberhausener Linke hatte in der Vergangenheit immer wieder an ­Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Aufmärsche der Coronaleugner teilgenommen.