Die Anhörungen zum Sturm auf das Kapitol in den USA gehen weiter

Die Geheimnisse der Präsidentenlimousine

Bei der letzten Anhörung im Juni zum Sturm auf das US-Kapitol sagte Cassidy Hutchinson aus, eine ehemalige Assistentin von Trumps Stabs­chef Mark Meadows. Ihre Einlassungen waren brisant.

Geht man nach den Einschaltquoten, war die jüngste Anhörung am 28. Juni der Kommission zur Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol in Washington, D.C., am 6. Januar 2021 ein voller Erfolg: 13,2 Millionen Menschen verfolgten die Live-Übertragung der großen Sendernetzwerke, darunter ABC, CBS, NBC, CNN und MSN. Cassidy Hutchinson sagte aus, eine Frau, die mit den Vorgängen im Weißen Haus gut vertraut war – sensationelle Enthüllungen waren also zu erwarten. Sie war Assistentin von Mark Meadows, dem letzten Stabschef des Präsidenten Donald Trump.

Ruhig und organisiert schilderte die heute 25jährige Ereignisse im Westflügel des Weißen Hauses, zum Beispiel Trumps Reaktion auf ein Interview seines damaligen Justizministers William Barr, in dem dieser betont hatte, dass es keinen Wahlbetrug gegeben habe. Trump sei darüber so erbost gewesen, dass er einen Teller mit Essen gegen eine Wand geworfen habe, so Hutchinson. »Ketchup tropfte von der Wand, auf dem Fußboden lagen Porzellanscherben«, beschrieb sie die bizarre Szene.

»Ich bin der verdammte Präsident, bringt mich zum Kapitol«, habe Trump gerufen, erzählte Hutchinson, und dann wut­­­­entbrannt ver­sucht, dem Fahrer ins Lenkrad zu greifen.

Andere Aussagen der Republikanerin und damaligen Anhängerin Trumps könnten diesen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Schon am 2. Januar, vier Tage vor Sturm auf das Kapitol, habe sie von Rudy Giuliani, einem Anwalt Trumps, erfahren, dass dieser und seine Verbündeten vorhätten, am 6. Januar zum Kapitol zu gehen. Als sie mit Meadows darüber sprechen wollte, sei sie nur gewarnt worden, dass der 6. Januar »wirklich, wirklich schlimm« werden könne.

Trump selbst, so Hutchinson, habe, bevor er für seine Rede am 6. Januar auf die Bühne ging, dem Secret Service die klare Anweisung gegeben, aus Sicherheitsgründen aufgebaute Magnetometer wieder zu entfernen sowie Waffen tragenden Besuchern und Besucherinnen Einlass zu gewähren. Seine Begründung sei apart gewesen, erinnerte sie sich, er sagte: »Sie werden mir nichts tun.«

Aber ist Hutchinson nun wirklich »der nächste John Dean«, wie der Rechtsanwalt Norm Eisen, der die Demokraten während des ersten Impeachment-Verfahrens gegen Trump beraten hatte, vor ihrer Anhörung impliziert hatte? John Dean war ein Berater von Präsident Richard Nixon (1969–1974) und wurde in der Watergate-Affäre 1973 zum Hauptbelastungszeugen gegen diesen. Deans Aussagen wurden durch später aufgefundene Tonbandaufzeichnungen verifiziert.

Eine besonders spektakuläre Aussage von Hutchinson konnte noch nicht belegt werden. Sie schilderte, dass Trump, wie während seiner Rede am 6. Januar angekündigte, tatsächlich zum Kapitol habe gehen wollen. Anthony Ornato, ein ehemaliger Sicherheitsdienstmitarbeiter Trumps, habe ihr geschildert, dass Trump sehr wütend über die Entscheidung des Sicherheitspersonals ­gewesen sei, ihn stattdessen zum Weißen Haus zurückzubringen. »Ich bin der verdammte Präsident, bringt mich zum Kapitol«, habe er gerufen und dann wutentbrannt versucht, dem Fahrer ins Lenkrad zu greifen. Der Leiter des Sicherheitsdiensts, Robert Engel, habe den Präsidenten daraufhin körperlich an weiteren Eingriffsversuchen gehindert. Engel sei zudem später dabei gewesen, als Ornato ihr von diesem Vorfall erzählt habe.

Bereits wenige Minuten nach dieser live übertragenen Aussage wurde auf Twitter verbreitet, dass Hutchinson gelogen habe. Ornato selbst ließ wissen, er habe eine ihm zugeschriebene Aussage niemals getätigt. Hat Hutchinson also nicht die Wahrheit gesagt? Zweifelsfrei herauszufinden, was am 6. Januar in der Präsidentenlimousine geschah, ist sowohl für Republikaner wie auch für Demokraten wichtig. Interessanterweise hat Ornato schon mehrmals bestritten, ihm zugeschrieben Aussagen getätigt zu haben. Eine war im Buch »I Alone Can Fix It« der Washington Post-Journalisten Carol Leonnig und Philip Rucker veröffentlicht worden. Ornato, so heißt es dort, habe Mitarbeitern Trumps am 6. Januar gesagt, dass der Sicherheitsdienst Vizepräsident Mike Pence zu einer Militärbasis bringen werde. Pence habe sich jedoch geweigert und erklärt, er werde in seinem Versteck nahe des Kapitols bleiben.

Ob Ornatos Darstellung den Tatsachen entspricht, ist unklar. Allerdings gibt es durchaus begründete Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit: Olivia Troye, eine ehemalige Beraterin von Pence, twitterte am 29. Juni, dass »Ornato ganz sicher leugnet, Gespräche geführt zu haben, die er wirklich geführt hatte«. Und fuhr fort, dass »wir, die wir mit ihm zusammenarbeiteten, wissen, wo seine Loyalitäten liegen. Er sollte unter Eid aussagen.«

Alyssa Farah Griffin, eine konservative CNN-Kommentatorin, zitierte Troyes Tweet kurze Zeit später und schrieb: »Mich hat Tony Ornato auch angelogen.« Während der »Black Lives Matter«-Proteste am Lafayette Square in Washington, D.C., im Jahr 2020 habe sie mit ihm und Mark Meadows gesprochen und beide gebeten, die anwesende Presse zu warnen, ­bevor der Platz geräumt werde. Meadows habe geantwortet, dass keine Räumung geplant sei. Der ebenfalls anwesende Ornato habe später behauptet, »dass dieses Gespräch nicht stattgefunden habe. Er weiß, dass es stattfand.«

Tatsächlich waren die Demonstrierenden von der Polizei gewaltsam vertrieben worden, weil Trump eine nahegelegene Kirche besuchen wollte – was allerdings als bloße PR-Aktion des damaligen Präsidenten gilt, dem daran gelegen war, seinen Anhängern Bilder der aufgelösten Demonstration zu präsentieren.