Hippe BDS-Apologeten suchen den Distinktionsgewinn

Hip und belanglos

Die Dämonisierung Israels und die Relativierung des Antisemitismus sind Teil eines hippen Distinktionsgebarens und der vermeintlichen »wokeness« der Kunst- und Kulturszene. Kritische Stimmen sind selten zu hören. Verena Dengler, Leon Kahane und Michaela Meise wenden sich gegen den Einfluss der BDS-Kampagne.

Die Bedeutungen, die die Kunstwelt mit BDS assoziiert, orientieren sich nur lose an den tatsächlichen Aktionen und Zielen der Kampagne. Diese wurden über Jahre gut dokumentiert und analysiert, was zu der Einschätzung führte, die dem Bundestagsbeschluss von 2019 zugrunde liegt, der es verbietet, BDS-Aktivitäten aus Bundesmitteln zu finanzieren. Die sich gegen den Beschluss richtenden Petitionen aus dem Kunst- und Kulturmilieu ignorieren diese Tatsachen und wollen weiterhin offenlassen, wie BDS zu bewerten sei.

Bekanntermaßen ist es eine klassische BDS-Strategie, alle – angefangen vom kleinsten DJ –, die in Israel auftreten, im Internet mit verbalen Attacken zu überziehen. Warum gibt es kaum Künstlerinnen, die klar sagen, dass sie die Ziele und Methoden von BDS ablehnen? Die Politik Israels kann man ja auch kritisieren, ohne den Staat und seine Bewohner zu dämonisieren.

Ich denke, das hat mit den Rudelmechanismen in der Kunstwelt und der Angst vor der sozialen Isolation zu tun, die sich in dem Unbehagen zeigt, als jemand aus »dem Westen« verbindlich für die eigene Perspektive einzustehen. »Multidirektionales Erinnern« ist das Schlagwort der Stunde. Das scheint die allerneueste Tarnung für den Wunsch nach Allwissenheit zu sein, nach einer Art über den Dingen schwebender göttlicher Allround-Weltsicht, mit deren Ansprüchen vermutlich selbst der höchste tibetische Meditationsmeister seine Schwierigkeiten hätte.

Auf welchen gemeinsamen Werten aber soll ein Dialog unterschiedlicher Perspektive beruhen, wenn jeder Universalismus abgelehnt wird? Man kann durch Relativierung – im Sinne von Entwertung – unterschiedlicher Perspektiven auch eine Unverbindlichkeit des beliebig Austauschbaren erzeugen, die tendenziell immer den Weg des geringsten Widerstands geht. Die Gleichwertigkeit aller Ansichten bedeutet die Belanglosigkeit und Ungültigkeit der eigenen Grundposition. Ab einem gewissen Punkt sind unverbind­liches Schwanken und Kompromissbereitschaft aber gleichbedeutend mit Kapitulation und der Aufgabe von Kritik.

Die 2001 entstandene BDS-Bewegung nahm Methoden des Widerstands gegen das südafrikanische Apartheidregime auf und übertrug diese von außen auf den grundlegend anderen Kontext Israels. Wie kann man da behaupten, dass man den Universalismus ablehnt?

1960 schrieb Claude Lévi-Strauss in »Traurige Tropen« über den Ethnographen:

»Der Wert, den er der fremden Gesellschaft beimisst, und der umso ­höher zu sein scheint, je exotischer die fremde Gesellschaft ist, besitzt keine objektive Grundlage; er stellt vielmehr eine Funktion der Geringschätzung, manchmal sogar der Feindseligkeit dar, die der Ethnograph für Sitten und ­Gebräuche seiner eigenen Umgebung empfindet. Während er zu Hause die traditionellen Einrichtungen zu untergraben, wenn nicht zu stürzen versucht, benimmt er sich respektvoll, ja konservativ, sobald er sich einer fremden Gesellschaft gegenübersieht.«

Den Apologeten von BDS geht es oft nicht darum, die Lebensrealitäten ­anderer wirklich zu verstehen, zum Beispiel die konkreten Probleme der ­Palästinenserinnen. Es schwingt der Wunsch nach sozialer Distinktion mit – die Geschichte des Holocaust hat hier schließlich jeder in der Schule ­gelernt, im Gegensatz zu dem hippen importierten Diskurs angloameri­kanischer Eliteuniversitäten, der zur oberflächlichen Ethnisierung des ­eigenen Lifestyles dient.

Verena Dengler ist Künstlerin, Performerin und Autorin aus Wien. Sie hat in Wien und London studiert und ist Preisträgerin des Strabag Artaward International 2018.