Die Berliner Linkspartei will die parteinahe Jugendorganisation Solid nicht mehr pauschal alimentieren

Die junge Garde muss in die Geldverwaltung

Die Linksjugend Solid Berlin verärgert mit israelfeindlichen und pro­­russischen Beschlüssen Teile ihrer Mutterpartei. Der Berliner Landesvorstand der Partei »Die Linke« will deshalb nun bei Ausgaben der Jugendorganisation, die 500 Euro übersteigen, mitentscheiden.

In der Linkspartei kracht es derzeit an allen Ecken und Enden: desolate Wahlergebnisse, Uneinigkeit bei der politischen Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Sexismusvorwürfe, der Rücktritt der Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow – und dann hat der Berliner Landesverband auch noch Ärger mit der parteinahen Jugendorganisation. Am 10. April beschloss die Linksjugend Solid Berlin bei ihrer Landesvollversammlung einen Antrag, der »die konsequente Benennung Israels als Apartheidstaat« und die »konsequente Benennung des Zionismus als reaktionäre, bürgerliche Ideologie« fordert. Weiter heißt es in dem Beschluss: »Der Landesverband Berlin nimmt grundsätzlich an Veranstaltungen zur Nakba-Woche Teil und organisiert selbst Kundgebungen und/oder Demonstrationen. Wir sind solidarisch mit antizionistischen Jüd*innen wie der leider schon verstorbenen Esther Bejarano oder Moshe Zuckermann, die in der BRD schon oft das Ziel bürgerlicher Hetze geworden sind.«

Auf derselben Landesvollversammlung beschloss Solid Berlin unter anderem auch einen Antrag, der neben ­einem »Ende der russischen Militäroffensive« auch die »Zerschlagung der Nato« fordert und Sanktionen gegen Russland sowie Waffen­lieferungen an die Ukraine ablehnt. Außerdem beteiligten sich Solid-Mitglieder in den vergangenen Wochen an antiisraelischen Demonstrationen in Berlin. Das alles ließ einen seit Monaten schwelenden Streit mit dem Berliner Landesvorstand der Partei »Die Linke« eskalieren.

»Egal was Solid tut, sie werden als Jugendverband der Partei wahrgenommen.« Tobias Schulze, Stellvertretender Landesvorsitzender der Linkspartei Berlin

Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, sagte dem ND: »Aktuell gibt es Kräfte im Landes­sprecher*innenrat der Linksjugend Solid, die massiv gegen die Partei kämpfen. Das kann man ja machen. Nur dass man das mit Mitgliedsbeiträgen der Partei macht, ist doch sehr fragwürdig.« Bislang überwies der Landesverband der Partei pro Jahr pauschal 15 000 Euro an Solid Berlin, über die die Jugendorganisation frei verfügen konnte. Am Freitag voriger Woche beschloss der Landesvorstand der Linkspartei, dass die Linksjugend Solid Berlin zukünftig Ausgaben über 500 Euro beim Landesvorstand der Partei beantragen müsse. Die Anträge würden genehmigt, sofern die Inhalte der damit finanzierten Projekte der Satzung und dem Programm der Linkspartei »nicht widersprechen«. Vorerst gilt diese Regelung bis zum Jahresende.

Nicht berührt von dem neuen Beschluss sind die Kosten für eine hauptamtliche Stelle bei Solid und die Miete für ein Büro in der Parteizentrale, dem Karl-Liebknecht-Haus, die der Landesverband der Partei bezahlt. Dabei ist die Linksjugend Solid gar keine direkte Gliederung in der Partei, sondern eine eigenständige und nur parteinahe Vereinigung.

Der Stellvertretende Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Tobias Schulze, sagte im Gespräch mit der Jungle World Anfang der Woche: »Egal was Solid tut, sie werden als Jugendverband der Partei wahrgenommen.« Mit ihrem »Israel-Palästina-Beschluss« habe die Linksjugend Solid Berlin den Rahmen des in der Linkspartei »Diskutablen verlassen. Das Existenzrecht Israels steht für uns als Partei nicht zur Debatte.«

Der parteiinterne Zusammenschluss Emanzipatorische Linke Berlin unterstützte in einer vergangene Woche veröffentlichten Erklärung Forderungen nach dem »Entzug von Parteigeldern« und kritisierte die Berliner Linksjugend: »Politische Irrfahrten wie die von Solid Berlin sind kein neues Phänomen. Manche, die sich verblüffender Weise für besonders links halten, ignorieren komplett die autoritären, chauvinistischen, rassistischen und judenfeindlichen Politiken bestimmter Akteur:innen.«

Hingegen schrieb das Mitglied des Berliner Landesvorstands der Linkspartei, Ulas Tekin, bereits Mitte April auf Twitter zu den Plänen, die Zuwendungen an Solid stärker zu reglementieren: »Das ist Meinungsunterdrückung, der ich als Landesvorstandsmitglied auf jeden Fall nicht zustimmen werde.« Auch er sehe »den israelischen Staat als Apartheidstaat an«.

In einer »Solidaritätserklärung mit Solid Berlin«, die der antiimperialistische Blog Klasse gegen Klasse veröffentlichte, heißt es: »Kritik an der Parteispitze zu üben, ist gerade das grundsätzliche Recht des Jugendverbands und seine Existenzberechtigung.« Weiter heißt es, »unter dem Vorwand des Antisemitismus« sollten nicht nur »Positionen unsagbar gemacht, sondern die gesamte kritische Haltung von Solid Berlin zum Regierungskurs der Mutterpartei mundtot gemacht werden«. Die »Solidaritätserklärung« unterzeichneten unter anderem die Gruppen Migrantifa Berlin und »Palästina spricht«, verschiedene Solid-Verbände aus dem gesamten Bundesgebiet sowie einige Einzelpersonen, darunter Tekin und das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Ferat Ali Koçak sowie Bettina Gutperl, eine Beisitzerin im Bundesvorstand der Partei »Die Linke«.

Angesichts dieser teilweise einflussreichen Unterstützer verwundert es kaum, dass der Berliner Landesvorstand der Linkspartei der Jugendorganisation Solid Berlin erst einmal keine Gelder entzogen, sondern diese nur mit ein bisschen Bürokratie verbunden hat – mit dem erklärten Ziel, eine Jugendorganisation zu unterstützen, in der »alle jungen Mitglieder der Linken ein politisches Angebot finden können«.