Bundeskanzler Scholz reist nach Kiew und Moskau

Der Friedensbringer

Am Dienstag traf Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau Wladimir Putin. Die russische Regierung hatte zuvor den Abzug einiger Truppenteile von der ukrainischen Grenze verkündet, doch für Entwarnungen ist es zu früh.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde in den vergangenen Tagen nicht müde zu betonen, dass er auch weiterhin auf Diplomatie baue, um eine Eskalation des Kriegs in der Ukraine zu verhindern. Am Montag reiste er nach Kiew und am Dienstag nach Moskau, um sich, wie schon in der vergangenen Woche der französische Präsident Emmanuel Macron, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu unterhalten. An das Treffen knüpften sich »große Hoffnungen« auf eine friedliche Lösung, sagte am Wochenende der Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), Rainer Seele.

Tatsächlich sendete die russische Regierung bereits Dienstag früh ein gewisses Signal der Entspannung: Nachdem über Monate hinweg immer mehr Kriegsgerät an die Grenze zur Ukraine geschafft worden war, kündigte das russische Verteidigungsministerium erstmals den Abzug eines kleinen Teils der Soldaten an.

»Der 15. Februar wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die westliche Kriegspropaganda scheiterte. Sie wurden beschämt und zerstört, ohne dass ein einziger Schuss abgegeben wurde«, triumphierte höhnisch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, auf ihrem Telegram-Kanal. Tatsächlich hatten die immer schrilleren Warnungen vor einer drohenden russischen Invasion seitens der USA und verschiedener Medien, die sich auf anonyme Geheimdienstquellen beriefen, in den vergangenen Tagen für Irritationen gesorgt.

Am Wochenende hatten anonyme US-amerikanische Regierungsvertreter der Presse mitgeteilt, sie erwarteten einen russischen Angriff für Mittwoch. Außenminister Antony Blinken seinerseits sagte, eine Invasion sei derzeit jederzeit möglich, doch noch habe die russische Regierung die Entscheidung nicht getroffen. Auf diese Worte folgten Taten: US-Bürger in der Ukraine wurden von ihrer Botschaft kontaktiert und zum Verlassen des Landes aufgerufen. Das Personal der Kiewer US-Botschaft wurde evakuiert, Com­puter und anderes Material vernichtet. Die deutsche Regierung war zurückhaltender, doch das Auswärtige Amt hatte bereits am 12. Februar alle deutschen Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen.

Die New York Times berichtete lobend darüber, dass die US-Regierung »nach Jahrzehnten, in denen sie von Wladimir Putin im In­formationskrieg dominiert wurde, ihn jetzt mit den eigenen Mitteln schlägt«. Demnach habe die US-Regierung seit Monaten die Strategie verfolgt, alle möglichen russischen Pläne bereits frühzeitig öffentlich zu machen.

In der Ukraine führte dieser »Informationskrieg« – allen Versuchen der ukrainischen Regierung, die Kriegswarnungen der USA zu relativieren, zum Trotz – dazu, dass ausländisches Kapital aus dem Land strömte und die Zinsen für Staatsanleihen in die Höhe schossen. Schon jetzt sagten die EU und die USA Milliarden-Zuschüsse zu, um die maroden Finanzen des ukrainischen Staats zu stützen. Weil internationale Versicherungsunternehmen keine Versicherungen für Flugzeuge im ukrainischen Luftraum mehr anboten, bildete der ukrainische Staat dafür einen Fonds in Höhe von 600 Millionen US-Dollar.

So ist zu erwarten, dass Russland auch in den kommenden Wochen den Druck aufrechterhalten oder sogar wieder erhöhen wird. Was immer Putin erreichen wollte – die Nato-Staaten zu entzweien, ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine, eine Absage an den möglichen Nato-Beitritt des Landes, Zugeständnisse bei den Verhandlungen über den zukünftigen Status der von Russland kontrollierten Gebiete in der Ostukraine –, erreicht hat er bisher nichts davon oder sogar das Gegenteil.

Die Chefredakteurin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, drückte es auf ihrem Telegram-Kanal in gewohnter Offenheit so aus: Früher seien Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien ignoriert worden, doch »jetzt stehen die Leute bei uns Schlange«. Gleichzeitig sei die »Kiewer Wirtschaft in Stücke gerissen« worden, »eine Kleinigkeit, aber begrüßenswert«. Und am wichtigsten sei: Die Panzer, die jetzt von der Grenze zur Ukraine wegfahren, könnten »mit genau der gleichen Geschwindigkeit auch wieder zurückfahren, wenn nötig«.