Mexiko verklagt US-Waffen­firmen

Tödlicher Warenverkehr

Die mexikanische Regierung verklagt US-Waffenfirmen, um den Verkauf von Waffen nach Mexiko besser zu kontrollieren und die Gewalt im Land einzudämmen.
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Eine halbe Million Pistolen, Sturmgewehre und andere Waffen passieren jährlich illegal die Grenze der USA in Richtung Mexiko. ­Allein 2019 ermordeten dortige Mafiakiller mit den geschmuggelten Waffen 17 000 Menschen. Verantwortlich für dieses tödliche ­Geschäft sind neben den kriminellen Kartellen jene Firmen, die in den Vereinigten Staaten die Schusswaffen herstellen: Glock, Colt, Beretta, Smith & Wesson und viele andere. Die mexikanische Regierung hat deshalb vergangene Woche gegen zehn in den USA ansässige Rüstungsunternehmen Anzeige erstattet.

Diese Firmen wüssten ganz genau, dass ihre Schusswaffen illegal gegen Zivilisten und Sicherheitskräfte eingesetzt würden, sagte Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard. »Die Unternehmen entwerfen, vermarkten, verteilen und verkaufen ihre Waffen bewusst genau so, wie die Drogenkartelle es wollen«, heißt es in der Klage, die vor einem Bundesgericht im US-amerikanischen Boston ein­gereicht wurde. So sei beispielsweise in einer Pistole das Bild des mexikanischen Revolutionärs Emiliano Zapata eingraviert, zu­sammen mit dem Motto: »Lieber aufrecht sterben als auf Knien leben«. Andere Waffen trügen in Mexiko gebräuchliche Spitznamen.

Es gehe nicht um wirtschaftliche Fragen, betonte Ebrard, sondern darum, »dass die Firmen ihr bestenfalls gleichgültiges Verhalten ändern«. Die Rüstungsindustrie solle dafür sorgen, dass der Verbleib ihrer Waffen besser kontrolliert wird. Dennoch ist die ökonomische Dimension nicht zu verachten. Zehn Milliarden US-Dollar Schadensersatz fordert Mexiko von den Unternehmen. Schließlich kosten durch geschmuggelte Waffen entstandene Schäden das Land nach Einschätzung des Außenministeriums 1,7 bis zwei Prozent des mexikanischen Bruttoinlandsprodukts. Juristen schätzen die Erfolgsaussichten allerdings als gering ein.

Ebrard setzt sich schon lange dafür ein, dass die USA mehr unternehmen, um den illegalen Waffentransfer zu bremsen. Mit der ­Anzeige macht die mexikanische Regierung deutlich, dass der Nachbar eine wesentliche Schuld an der grassierenden Gewalt trägt. Denn neben dem Drogenverkauf in die USA, der einen wichtigen Teil der Einnahmen der Kartelle ausmacht, ist der Schmuggel von Pistolen und Gewehren die zweite wesentliche Grundlage der organisierten Kriminalität. Obwohl der freizügige Verkauf von Waffen in den USA den Schmuggel im großen Stil erst möglich macht, gab sich Ebrard viel Mühe, die US-Regierung zu schonen. »Wir wollen nicht die US-Gesetze verändern«, betonte er. »Unsere Priorität ist es, die Zahl der Morde zu verringern.«

Will seine Regierung dafür sorgen, dass nicht weiterhin 100 Menschen am Tag ermordet werden, muss sie aber auch ihre eigene Waffenpolitik ändern. Nur das mexikanische Verteidigungsministerium darf Rüstungsgüter einkaufen und veräußern – und hat somit die ausschließliche Kontrolle darüber, was mit den legal importierten Gewehren und Pistolen passiert. Die Folgen sind gravierend: Abgesehen davon, dass viele Massaker von Ordnungskräften begangen werden, arbeiten nicht wenige hochrangige Militär­angehörige ebenso wie lokale Polizisten mit den Kartellen zusammen. Wenig verwunderlich, dass zwischen 2006 und 2019 etwa 16 000 Waffen über Beamte und Soldaten bei der organisierten Kriminalität landeten. Die meisten dieser Waffen dürfte der Staat selbst in den USA eingekauft haben.