Der rechte Verein »Unabhängige in der Polizei« mimt die verfolgte Unschuld

Trolle in Uniform

Eine antirassistische Comedy-Autorin wird Opfer eines rechten Shit­storms. Vertreter des Vereins »Unabhängige in der Polizei« deuten auf Twitter an, zu wissen, wo sie wohnt – später entschuldigt sich der Verband. Nun hat er den eigenen Twitter-Account gelöscht.

Die Comedy-Autorin Jasmina Kuhnke, auf Twitter bekannt als Quattromilf, ist seit langem immer wieder Gegenstand rechter Shitstorms. Im Februar erreichten die Bedrohungen eine neue Qualität, denn im Internet wurde ihre Privatadresse veröffentlicht. Kuhnke und ihre Familie sahen sich zum Umzug gezwungen.

Doch damit war es nicht getan: Einen Monat später meldete sich der inzwischen deaktivierte Twitter-Account @Joern-privat folgendermaßen zu Wort: »Ich dachte, Jasmina Kuhnke aus Köln-Porz und ich werden mal richtig dicke Freunde.« Der Account gehört der Tageszeitung Neues Deutschland zufolge Jörn Badendick, dem stellvertretenden Vorsitzenden und Pressesprecher des Vereins Unabhängige in der Polizei e.V. (UPol). Bei diesem handelt es sich um einen Interessenverband, der sich als Alternative zu den beiden großen Polizeigewerkschaften versteht, der zum Deutschen Beamtenbund gehörende Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei (GdP). Mit der Anspielung auf einen angeblichen Wohnort erweckte Badendick, Personalrat bei der Berliner Polizei, den Eindruck, zu wissen, wo Kuhnke wohnt, was denjenigen, die Kuhnke und auch ihre vier Kinder mit Gewalt bis hin zum Mord bedrohen, als Hinweis dienen könnte. Als Polizeibeamter müsste Badendick sich dessen bewusst gewesen sein.

Am 23. Mai teilte Kuhnke auf Twitter einen Screenshot der Nachricht. Drei Stunden später antwortete der Account des Bundesverbands von UPol: »Sie haben bloß niemals in Köln-Porz gewohnt«, dazu ein Zwinker-Smiley und ein Pinocchio-GIF. Womit die Frage im Raum stand, woher der Twitternde das so genau wusste. Immerhin deutet das Wort »niemals« darauf hin, dass ihm jeder einzelne bisherige Wohnort Kuhnkes bekannt ist. Diese Frage stellte sich offenbar auch die Vizepräsidentin des EU-Parlaments und ehemalige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) und forderte auf Twitter Aufklärung. UPol konterte mit einer Anzeige wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung.

Barley zufolge habe der Interessenverband erklärt, man habe die Information zu den Wohnorten von einem Medienvertreter, der dies »hundertprozentig« wisse. Der Verdacht, dass ein Polizeibeamter seine Befugnisse missbraucht und Kuhnkes Meldeadressen auf einem Polizeicomputer abgerufen hat, besteht jedoch weiterhin. Solche Abfragen sollen auch als Grundlage für Drohschreiben des sogenannten NSU 2.0 genutzt worden sein.

Es ist nicht das erste Mal, dass UPol mit rechten Tendenzen auffällt. Als im Januar 2019 unter anderem die GdP die Kandidatur eines Spandauer Polizeibeamten für den Vorstand des Berliner Landesverbands der AfD- Jugendorganisation Jungen Alternative kritisierte, meinte Badendick, die Debatte schade der Akzeptanz polizeilicher Maßnahmen. Die Debatte wohlgemerkt, nicht die Tatsache, dass ein Polizist Mitglied einer Vereinigung ist, die der rechtsextremen Identitären Bewegung nahesteht, und in seiner Bewerbungsrede vom »Verfall des Vaterlandes« schwadronierte, wie damals der Tagesspiegel berichtete.

Der Schatzmeister des Bundesverbands von UPol, Marco Ottomann, soll Recherchen von Belltower News zufolge gemeinsam mit Andreas T. Gesellschafter einer Firma gewesen sein, die einen Onlineshop für Paintball-Equipment betrieben hat. T. war ebenfalls Polizist, wurde jedoch 2017 aus dem Dienst entlassen. Der Süddeutschen Zeitung zufolge hat T. unter anderem das Booklet einer CD der Neonaziband Deutsch Stolz Treu verfasst. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei ihm gerahmte Bilder von Adolf Hitler und Rudolf Heß sowie rechtsextremistisches Propagandamaterial entdeckt. Fotos zeigen ihn beim Hitlergruß und vor einer Hakenkreuzfahne. T. stand mindestens bis 2009 im Impressum der Website der Firma. Diese scheint nicht mehr zu existieren, doch auf Ebay bietet das Unternehmen weiter Waren an und im Impressum steht nach wie vor Marco Ottomann.

Am 29. Mai veröffentlichte der Twitter-Account des Verbands eine Reihe von Beiträgen, die mit dem Namen Jörn Badendick unterzeichnet sind. Darin erklärt dieser im Namen des Vereins, dass in der Diskussion einiges »deutlich aus dem Ruder« gelaufen sei, woran man selbst »nicht unschuldig« sei. Allerdings verwahre man sich gegen den Vorwurf, Personen zu »doxxen«, also deren persönliche Daten im Internet zu veröffentlichen, oder diese gar »illegal abgefragt« zu haben. »Sollten wir Personen auf Twitter verletzt haben, bitten wir ehrlich um Entschuldigung«, heißt es weiter. Außerdem weist er die Vorwürfe, Ottomann habe Verbindungen zum Neonazi T., zurück. Der Berufsverband unterhalte keine Kontakte zu Rechtsextremisten und Ottomann habe »privat vor Jahren selbst eine solche Konsequenz gezogen«. Wie genau die aussah, ging aus den Tweets nicht hervor.

Es könnte sich hierbei um die bei Rechten beliebte Strategie handeln, nach Eskalationen leisezutreten, um sich der Kritik zu entziehen, da das eigentliche Ziel – eben die Eskalation – ja erreicht ist. Alles in allem ergibt sich das Bild eines Vereins von Polizisten für Polizisten, der zumindest immer wieder abstreiten muss, Kontakte ins rechtsextreme Milieu zu haben. Sicher ist, dass UPol durchaus Rückhalt in der Berliner Polizei hat. Von 2016 bis 2020 hatte der Verein den Vorsitz des Gesamtpersonalrats der Berliner Polizei inne: Unter den Beamten hatten 25 Prozent für ihn gestimmt, bei den Tarifangestellten sogar 41 Prozent.