Die US-Republikaner halten weiterhin zu Donald Trump

Einer wird gewinnen

Im November stehen in den USA die 59. Präsidentschaftswahlen an. Umfragen zufolge könnte es zu einem Regierungswechsel kommen. Doch Präsident Donald Trump sät Zweifel, ob er eine Niederlage ­akzeptieren würde.

Wenn Donald Trump Ende August auf der Republican National Convention in Charlotte in North Carolina offiziell zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei gekürt wird, geht es bei den Wahlen im November um die Zukunft seines Politikstils und um das Schicksal der Republikanischen Partei. Es geht aber auch um die Frage, wie man in den USA jetzt und in Zukunft Wahlen gewinnen kann.

Der US-Präsident hat in den vergangenen Jahren die Republikaner immer stärker zu einer Ein-Mann-Partei gemacht und stetig seine Kritiker marginalisiert; die Partei rückte dadurch immer weiter nach rechts. Vor allem mit Tweets an seine mehr als 84 Millionen Twitter-Follower unterstützte Trump rechte Vorwahlherausforderer gegen moderate Republikaner, die es gewagt hatten, sich zu deutlich von ihm zu distanzieren. Andere zogen es vor, in den Ruhestand zu gehen. Den Zahlen des Politikanalysten Dave Wassermann vom parteipolitisch unabhängigen Online-Newsletter Cook Political Report zufolge sind seit Trumps Amtsantritt 48 Prozent aller republikanischen Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus entweder zurückgetreten oder in Vorwahlen besiegt worden, oder sie beschlossen, nicht wieder anzutreten.

Seit Trumps Amtsantritt sind 48 Pro­zent der republikanischen Abgeordneten im US-Repräsentanten­haus entweder zurückgetreten oder in Vorwahlen besiegt worden, oder sie beschlossen, nicht wieder anzutreten.

Auch die republikanischen Senatoren stehen nicht alle hinter Trump. Jene von ihnen, die bei den kommenden Wahlen in Arizona, North Carolina, Maine und Colorado – swing states mit wechselnden Mehrheiten – wieder­gewählt werden wollen, binden Trump kaum in ihre Wahlkämpfe ein. In Umfragen und beim Sammeln von Wahlkampfspenden liegen sie gegenüber ihren jeweiligen demokratischen Herausforderern zurück. Ihr strategisches Grundproblem: Trump mobilisiert seine Basis zwar mit lautstarker rassistischer Stimmungsmache, schreckt aber Wähler der Mitte und die independents ab, deren Stimmen in diesen Staaten entscheidend sind.

Auch beim Wahlkampfthema Gesundheit und Krankenversicherung vertreten die Republikaner eine Position, die bei diesen Wählern unbeliebt ist. Die Parteispitze fordert die Abschaffung von »Obamacare«, des 2010 verabschiedeten Affordable Care Act. Ursprünglich unpopulär, gewann das Gesetz, das unter anderem etwa 20 Millionen US-Amerikanern eine Krankenversicherung verschaffte, auch bei gemäßigten Republikanern an Unterstützung. Die Partei spricht sich zudem gegen eine Verlängerung der Auszahlung des wegen der Coronakrise beschlossenen Arbeitslosengelds in Höhe von 600 US-Dollar pro Woche aus.

Wahlanalysten wie Wassermann glauben, dass Trump dennoch gewinnen könnte, wenn er seinen Stimmenanteil bei weißen US-Amerikanern ohne Universitätsabschluss nur geringfügig steigert. In dieser Gruppe gewann er vor vier Jahren 64 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sie stellte 2016 immerhin 44 Prozent aller Wählerinnen und Wähler, weist aber traditionell einen hohen Anteil an Nichtwählern auf. Genau deswegen arbeitet Trumps Wahlkampagne seit Monaten daran, solche bisherigen Nichtwähler aus der »white non-college-educated working class« zur Wählerregistrierung und Stimmabgabe zu bewegen.

Doch die Demokraten haben seit 2016 über 400 Sitze in Parlamenten der Bundesstaaten sowie 2018 bei den Zwischenwahlen 41 Sitze im Repräsentantenhaus dazugewonnen, wo sie nun wieder die Mehrheit stellen. Sie sind in den Vororten der großen Städte und bei weißen US-Amerikanern mit College-Abschluss beliebt.

Die Republikaner, deren Präsidentschaftskandidaten nur einmal seit 1990 die »Popular Vote« gewonnen haben, also die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigten, richten ihre Strategie darauf aus, nicht möglichst viele Wähler, sondern die »Electoral Vote«, die Mehrheit im Electoral College zu gewinnen, dem Wahlkollegium, das den Präsidenten wählt. Weil es in ländlichen Gebieten deutlich mehr repu­blikanische Wähler gibt und sich die politische Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung in den vergangenen Jahren vertieft hat, hat die Partei einen Vorteil im Electoral College und auch bei den US-Senatswahlen – denn die Bevölkerung ländlicher Gebiete beziehungsweise dünnbesiedelter Bundesstaaten ist dort überrepräsentiert. Die Republikaner profitieren zudem im Repräsentantenhaus und in Parlamenten der Bundesstaaten immer noch von der Praxis des gerrymandering, der willkürlichen Festlegung von Wahlkreisgrenzen.

Trump und einige seiner Parteifreunde haben ohnehin schon damit geprahlt, die Stimmabgabe bei bestimmter Wählergruppen behindern zu können. Das kann mittels strikter Vorgaben zur Wähleridentifikation geschehen, die Afroamerikaner und ­weniger Wohlhabende in einem Land ohne Ausweispflicht deutlich seltener erfüllen können. Die Republikaner haben angekündigt, 50 000 – wohl zum Teil bewaffnete – »Wahlbeobachter« zu rekrutieren, die angeblich Unregelmäßigkeiten verhindern sollen. Eine Einschüchterung von Minderheitenwählern durch solche »Beobachter« war 1981 von einem Bundesgericht verboten worden – die Entscheidung hatte aber nur bis Ende 2018 Bestand und wurde nicht verlängert. Die Demokraten ihrerseits bereiten die Entsendung von »Wahlschützern« in 19 Schlüsselstaaten vor.

Wahlanalyst Wassermann hat außerdem vorgerechnet, wie die Republikaner mittels einer hohen Ablehnungsrate von Briefwahlstimmen in einem möglicherweise wahlentscheidenden swing state einen Vorteil von bis zu zwei Prozent gewinnen könnten. Trump behauptet seit Wochen, die Briefwahl sei anfällig für Betrug – Belege dafür gibt es nicht. Weil viele Republikaner die Coronapandemie nicht ernst nehmen, wird vermutet, dass mehr demokratische als republikanische Stimmer per Briefwahl abgegeben werden. Gegen das Briefwahlsystem Nevadas klagt Trumps Wahlkampfteam vor einem Bundesgericht. Dort soll jeder ­registrierte Wähler einen Stimmzettel zugeschickt bekommen. Trump prophezeite eine »korrupte Katastrophe«. Sein Vorgehen könnte eine strategische Vorbereitung darauf sein, eine Wahlniederlage als Ergebnis von Manipulation darzustellen.

Über Trumps Verhalten nach einer möglichen Wahlniederlage wird eifrig spekuliert. Er könnte im Fall einer deutlichen Niederlage einfach verschwinden oder bei einer knappen Niederlage eine rechte Bewegung gegen die »Manipulation« anführen – beides hat er angedeutet. Theoretisch könnte er nach einer Wahlniederlage 2024 erneut kandidieren, wahrscheinlicher wäre aber, dass seine Politik im Wesentlichen von anderen rechten Republikanern weitergeführt wird. Bereit dafür stehen unter anderem Tom Cotton, Senator aus Arkansas und Befürworter eines Militäreinsatzes gegen die »Black Lives Matter«-Bewegung, und Josh Hawley, Senator aus Missouri, der für eine national und autoritär ausgerich­tete Sozialpolitik nach dem Vorbild der polnischen Regierungspartei PiS eintritt.

Möglich wäre aber auch eine Neuorientierung der Republikaner, auf die besonders die wenigen »Never Trump«-Konservativen hoffen, für die es aber realpolitische Argumente gibt. Der Bericht einer Reformkommission riet bereits 2013, die Partei müsse in einem Land, das sich demographisch wan­dele, mehr Frauen, Minderheitenangehörige und Latinos ansprechen. Sich auf die »Electoral Vote« zu konzentrieren, ist langfristig eine riskante Strategie.